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Tenor Tatbestand Entscheidungsgründe zurück zu den Urteilen
afilias.de; Domainstreit zwischen jüngerer Name gegen ältere Domain
§ 12 BGB; §§ 5, 15 MarkenG
BGH, Urt. v. 24. 04. 2008 - I ZR 159/05
Grundsätzlich verletzt ein Nichtberechtigter, für den ein Zeichen als Domainname unter der in
Deutschland üblichen Top-Level-Domain „.de“ registriert ist, das Namens- oder Kennzeichenrecht
desjenigen, der an einem identischen Zeichen ein Namens- oder Kennzeichenrecht hat. Etwas anderes
gilt jedoch regelmäßig dann, wenn das Namens- oder Kennzeichenrecht des Berechtigten erst nach
der Registrierung des Domainnamens durch den Nichtberechtigten entstanden ist (im Anschluss an
BGH, Urt. v. 9.9.2004 – I ZR 65/02, GRUR 2005, 430 = WRP 2005, 488 – mho.de).
(amtlicher Leitsatz)
Aus dem Tatbestand:
Die Klägerin registriert und verwaltet die Domainnamen unter der Top-Level-Domain „.info“. Sie
wurde am 13. Februar 2001 mit ihrer Unternehmensbezeichnung „Afilias Limited“ in das irische
Gesellschaftsregister eingetragen. Seit Mai 2001 vermarktet sie unter dieser Bezeichnung die
Domain „.info“ auch in Deutschland. Zuvor bestand seit September 2000 ein Konsortium, das sich
am 2. Oktober 2000 unter der Bezeichnung „Afilias“ letztlich erfolgreich bei der Internet
Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) um die Position als „Registry“ für die
Top-Level-Domain „.info“ beworben hatte. Die Klägerin macht geltend, sie habe das
Unternehmenskennzeichenrecht dieses Konsortiums übernommen. Die Klägerin ist Inhaberin der
Gemeinschaftsmarke „Afilias“, die am 26. März 2001 angemeldet und am 14. April 2002 für die
Registrierung von Domainnamen und die damit verbundenen Dienstleistungen eingetragen wurde.
Der Beklagte hat am 24. Oktober 2000 den Domainnamen „www.afilias.de“ für sich registrieren lassen.
Er behauptet, die Internet-Seite für ein Partnerprogramm zu benutzen, das nur zugelassenen Partnern
zur Verfügung stehe. Der Beklagte ist zudem Inhaber der nationalen Wortmarke „Afilias“, die am 27.
Mai 2003 angemeldet und am 7. Januar 2004 für ein umfangreiches Dienstleistungsverzeichnis
eingetragen wurde.
Die Klägerin sieht in dem Verhalten des Beklagten eine Verletzung ihres Unternehmenskennzeichen-
und Namensrechts sowie einen unlauteren Behinderungswettbewerb. Mit ihrer Klage verlangt sie vom
Beklagten, es zu unterlassen, die Internet-Adresse „www.afilias.de“ zu nutzen und/oder reserviert
zu halten.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten antragsgemäß
verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Abweisung
der Klage. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Aus den Entscheidungsgründen:
I.
Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Klägerin aus § 12 BGB bejaht. Zur
Begründung hat es ausgeführt:
Die Vorschrift des § 12 BGB sei anwendbar und werde nicht durch § 15 MarkenG verdrängt, weil der
Beklagte – jedenfalls soweit es den angegriffenen Domainnamen betreffe – nicht im geschäftlichen
Verkehr tätig sei. Das Unternehmenskennzeichen- bzw. Namensrecht der Klägerin sei zwar frühestens
im Februar 2001 entstanden. Der Beklagte habe jedoch durch die Registrierung des Domainnamens im
Oktober 2000 weder das Eigentum noch ein Kennzeichenrecht oder ein sonstiges absolutes Recht an
der Internet-Adresse erworben. Das Namensrecht der Klägerin werde daher verletzt, auch wenn es
erst nach Aufnahme der verletzenden Handlung durch den Beklagten entstanden sei. Anders wäre es
nur, wenn der Beklagte den Domainnamen auch als Unternehmenskennzeichen nutzen würde. Dies sei
jedoch nicht der Fall. Eine Beeinträchtigung des Namensrechts der Klägerin liege vor, obwohl die
Klägerin unter der Top-Level-Domain „.info“ im Internet erreichbar sei. Der Verkehr erwarte, dass
in Deutschland tätige Unternehmen – zumindest auch – unter der Top-Level-Domain „.de“ erreichbar
seien.
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass im Streitfall die
Vorschrift des § 12 BGB anwendbar ist und nicht durch die Bestimmungen der §§ 5, 15 MarkenG
verdrängt wird.
a) Grundsätzlich steht der Klägerin an ihrer Unternehmensbezeichnung mit Namensfunktion sowohl
ein Kennzeichenrecht aus §§ 5, 15 MarkenG als auch ein Namensrecht aus § 12 BGB zu. Der
Kennzeichenschutz aus §§ 5, 15 MarkenG verdrängt in seinem Anwendungsbereich zwar den Namensschutz
aus § 12 BGB. Die Bestimmung des § 12 BGB bleibt jedoch anwendbar, wenn der Funktionsbereich des
Unternehmens ausnahmsweise durch eine Verwendung der Unternehmensbezeichnung außerhalb des
Anwendungsbereichs des Kennzeichenrechts berührt wird. So verhält es sich, wenn die
Unternehmensbezeichnung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs oder außerhalb der Branche und damit
außerhalb der kennzeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr verwendet wird. In diesen Fällen kann der
Namensschutz ergänzend gegen Beeinträchtigungen der Unternehmensbezeichnung herangezogen werden,
die nicht mehr im Schutzbereich des Unternehmenskennzeichens liegen (BGH, Urt. v. 9.9.2004 – I ZR
65/02, GRUR 2005, 430 f. = WRP 2005, 488 – mho.de).
b) Diese Voraussetzungen für eine Anwendbarkeit des § 12 BGB sind im Streitfall erfüllt, weil der
Beklagte den Domainnamen „www.afilias.de“ nicht im geschäftlichen Verkehr verwendet.
aa) Für das Handeln im geschäftlichen Verkehr kommt es auf die erkennbar nach außen tretende
Zielrichtung des Handelnden an. Dient das Verhalten nicht der Förderung der eigenen oder einer
fremden erwerbswirtschaftlichen oder sonstigen beruflichen Tätigkeit, scheidet ein Handeln im
geschäftlichen Verkehr aus. Das Verhalten ist dann ausschließlich dem privaten Bereich außerhalb
von Erwerb und Berufsausübung zuzurechnen (BGHZ 149, 191, 197 – shell.de). Auch bei einem
Domainnamen genügt nicht die bloße Vermutung; vielmehr bedarf es einer positiven Feststellung,
dass er im geschäftlichen Verkehr benutzt wird, wobei im Zweifel von einer rein privaten Nutzung
auszugehen ist (Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., Nach § 15 Rdn. 87; a.A. Fezer, Markenrecht, 3.
Aufl., § 3 Rdn. 328).
bb) Die tatrichterliche Beurteilung des Berufungsgerichts, es sei nichts Konkretes dafür
ersichtlich, dass der Beklagte den Domainnamen geschäftlich nutze, lässt keine Rechtsfehler
erkennen. Das Berufungsgericht hat das Vorbringen des Beklagten, er betreibe auf der Internetseite
ein Partnerprogramm, das nur für zugelassene Partner zugänglich sei, zu Recht nicht zur Darlegung
einer geschäftlichen Tätigkeit für ausreichend erachtet. Der Beklagte hat nach den Feststellungen
des Berufungsgerichts – auch in der mündlichen Verhandlung – nicht nachvollziehbar vorgetragen,
wie das Partnerprogramm funktionieren und die aus dem vom Beklagten vorgelegten Ausdruck einer
Internetseite ersichtliche Werbung Wirkung entfalten konnte, wenn nur bereits gewonnene Partner
des Beklagten auf diese Internetseite Zugriff hatten. Da demnach keine ausreichenden Anhaltspunkte
für eine Nutzung im geschäftlichen Verkehr bestehen, ist die Nutzung der Bezeichnung
„www.afilias.de“ durch den Beklagten dem privaten Bereich zuzurechnen.
Unter diesen Umständen kommt es nicht darauf an, ob die weitere Erwägung des Berufungsgerichts
gleichfalls frei von Rechtsfehlern ist, der Beklagte habe den Domainnamen jedenfalls deshalb seit
längerem nicht mehr geschäftlich genutzt, weil selbst den am Partnerprogramm teilnehmenden Personen
der Zugriff auf einen Inhalt der Internetseite nur zeitweise möglich gewesen sei und die Website
weder im August 2004 noch im Jahr 2005 einen Inhalt gehabt habe. Es kann daher auf sich beruhen,
ob die gegen diese Hilfsbegründung des Berufungsgerichts vorgebrachten Rügen der Revision
durchgreifen.
2. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist das Unternehmenskennzeichen- bzw. Namensrecht
der Klägerin an der Unternehmensbezeichnung „Afilias Limited“ im Mai 2001 entstanden.
a) Die Entstehung des Rechtsschutzes an von Haus aus kennzeichnungskräftigen Kennzeichnungen setzt
lediglich ihre Ingebrauchnahme im geschäftlichen Verkehr voraus (BGHZ 120, 103, 107 – Columbus).
Die Ingebrauchnahme einer Firmenbezeichnung erfordert unabhängig davon, ob es sich um eine in- oder
ausländische Kennzeichnung handelt, Benutzungshandlungen im Inland, die auf den Beginn einer
dauerhaften wirtschaftlichen Betätigung schließen lassen; dabei kommt es nicht darauf an, dass die
Kennzeichnung bereits im Verkehr eine gewisse Anerkennung gefunden hat (BGH, Urt. v. 20.2.1997 –
I ZR 187/94, GRUR 1997, 903, 905 = WRP 1997, 1081 – GARONOR, m.w.N.).
b) Das Unternehmenskennzeichen der Klägerin „Afilias Limited“ ist nach den zutreffenden und von
der Revision auch nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hinreichend
unterscheidungskräftig. Die Klägerin vermarktet unter dieser Bezeichnung die Top-Level-Domain
„.info“ seit Mai 2001 auch in Deutschland. Ihr steht an der Bezeichnung „Afilias“ demnach in
Deutschland seit Mai 2001 Kennzeichen- bzw. Namensschutz zu. Dass die Klägerin bereits am 13.
Februar 2001 unter ihrer Unternehmensbezeichnung in das irische Gesellschaftsregister eingetragen
worden ist, ist insoweit nicht von Bedeutung.
3. Die vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen tragen jedoch nicht die Beurteilung,
dass der Beklagte das Namensrecht der Klägerin nach § 12 BGB verletzt hat. Eine unberechtigte
Namensanmaßung nach § 12 Satz 1 Fall 2 BGB liegt vor, wenn ein Dritter unbefugt den gleichen Namen
gebraucht, dadurch eine Zuordnungsverwirrung eintritt und schutzwürdige Interessen des
Namensträgers verletzt werden (BGHZ 171, 104 Tz. 11 – grundke.de, m.w.N.).
a) Der Beklagte hat den Namen „Afilias“, nachdem die Klägerin daran im Mai 2001 Kennzeichenschutz
erlangt hatte, dadurch gebraucht, dass er ihn als Domainnamen registriert hielt. Grundsätzlich
liegt schon in dem Registrieren eines Domainnamens und dem Aufrechterhalten dieser Registrierung
ein Namensgebrauch. Denn der berechtigte Namensträger wird bereits dadurch, dass ein Dritter den
Namen als Domainnamen unter einer bestimmten Top-Level-Domain registriert und registriert hält,
von der eigenen Nutzung des Namens als Domainname unter dieser Top-Level-Domain ausgeschlossen
(vgl. BGHZ 149, 191, 199 – shell.de;
155, 273, 276 f. – maxem.de).
b) Der Beklagte hat den Namen der Klägerin unbefugt gebraucht. Der Gebrauch eines Namens ist
unbefugt, wenn dem Verwender keine eigenen Rechte an diesem Namen zustehen (BGHZ 155, 273, 277 –
maxem.de). Der Beklagte hatte im Mai 2001 keine Rechte an der Bezeichnung „Afilias“, die er der
Klägerin hätte entgegenhalten können.
aa) Der Beklagte hat dadurch, dass er die Bezeichnung „Afilias“ im Oktober 2000 für sich als
Domainnamen registrieren ließ, kein gegenüber der Klägerin wirkendes Recht an dem Domainnamen
erlangt. Der Eintrag eines Domainnamens ist nicht wie ein absolutes Recht einer bestimmten Person
zugewiesen (BGHZ 149, 191, 205 – shell.de). Durch die Registrierung eines Domainnamens erwirbt der
Inhaber der Internet-Adresse weder das Eigentum an dem Domainnamen selbst noch ein sonstiges
absolutes Recht, welches ähnlich der Inhaberschaft an einem Immaterialgüterrecht verdinglicht wäre
(BVerfG, Kammerbeschl. v. 24.11.2004 – 1 BvR 1306/02, GRUR 2005, 261 m.w.N.; Bornkamm in
Festschrift für Schilling, 2007, S. 31, 38 f.; a.A. OLG Köln GRUR-RR 2006, 267, 268).
bb) Auch durch Nutzung des Domainnamens hat der Beklagte kein Recht an der Bezeichnung erworben.
Durch die Benutzung eines Domainnamens kann zwar grundsätzlich ein entsprechendes
Unternehmenskennzeichen erworben werden; dies setzt allerdings voraus, dass der Verkehr in der als
Domainnamen gewählten Bezeichnung einen Herkunftshinweis erkennt (vgl. BGH, Urt. v. 22.7.2004 –
I ZR 135/01, GRUR 2005, 262, 263 = WRP 2005, 338 – soco.de; Urt. v. 24.2.2005 – I ZR 161/02,
GRUR 2005, 871, 873 – Seicom). Dies ist hier nicht der Fall. Der Beklagte hat den Domainnamen nach
den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts (vgl. oben unter II 1 b bb) nicht als
Hinweis auf einen Geschäftsbetrieb verwendet.
cc) Auf ein Markenrecht an der Bezeichnung „Afilias“ kann der Beklagte sich schon deshalb nicht
stützen, weil seine nationale Wortmarke „Afilias“ erst am 27. Mai 2003 angemeldet und am 7. Januar
2004 eingetragen wurde und daher im Mai 2001 noch nicht bestanden hat. Erwirbt der Domaininhaber
nach der das Namensrecht des Berechtigten verletzenden Registrierung des Domainnamens ein
Kennzeichenrecht an dieser Bezeichnung, ändert dies nichts daran, dass der Namensgebrauch unbefugt
war. Ein nachträglicher Erwerb eines Rechts am Domainnamen kann lediglich im Rahmen der gebotenen
Interessenabwägung zu berücksichtigen sein (vgl. unten unter II 3 d aa).
c) Der unbefugte Namensgebrauch hat schließlich zu einer Zuordnungsverwirrung und einer Verletzung
schutzwürdiger Interessen der Klägerin geführt.
aa) Verwendet ein Dritter einen fremden Namen namensmäßig im Rahmen einer Internet-Adresse, tritt
eine Zuordnungsverwirrung ein, weil der Verkehr in der Verwendung eines unterscheidungskräftigen,
nicht sogleich als Gattungsbegriff verstandenen Zeichens als Internet-Adresse einen Hinweis auf
den Namen des Betreibers des jeweiligen Internet-Auftritts sieht. Wird der eigene Name durch einen
Nichtberechtigten als Domain-Name unter der in Deutschland üblichen Top-Level-Domain „.de"
registriert, wird dadurch über die Zuordnungsverwirrung hinaus ein besonders schutzwürdiges
Interesse des Namensträgers beeinträchtigt, da die mit dieser Bezeichnung gebildete
Internet-Adresse nur einmal vergeben werden kann (BGHZ 149, 191, 199 – shell.de; 155, 273, 276 f.
– maxem.de; 171, 104 Tz. 11 – grundke.de).
bb) Einer erheblichen Beeinträchtigung der Interessen der Klägerin steht, wie das Berufungsgericht
zu Recht angenommen hat, im Streitfall nicht entgegen, dass die Klägerin unter der
Top-Level-Domain „.info“ im Internet erreichbar ist. Der Verkehr erwartet, dass Unternehmen, die
– wie die Klägerin – auf dem deutschen Markt tätig und im Internet präsent sind, unter der mit
ihrem eigenen Namen als Second-Level-Domain und der Top-Level-Domain „.de“ gebildeten
Internet-Adresse auf einfache Weise aufgefunden werden können (vgl. BGHZ 149, 191, 201 – shell.de).
d) Das Berufungsgericht hat nicht geprüft, ob die bei Namensrechtsverletzungen gebotene
Interessenabwägung zu einem anderen Ergebnis führt. Der Nichtberechtigte kann zwar in der Regel
nicht auf schützenswerte Belange verweisen, die im Rahmen der Interessenabwägung zu seinen Gunsten
zu berücksichtigen wären (BGH GRUR 2005, 430, 431 – mho.de). Von dieser Regel gibt es jedoch
Ausnahmen. Ob deren Voraussetzungen im Streitfall erfüllt sind, kann aufgrund der vom
Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden.
aa) Eine erste Ausnahme muss für den Fall gemacht werden, dass die Registrierung des
Domainnamens durch den Nichtberechtigten nur der erste Schritt im Zuge der – für sich genommen
rechtlich unbedenklichen – Aufnahme einer entsprechenden Benutzung als Unternehmenskennzeichen ist.
Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass es der Inhaber eines identischen Unternehmenskennzeichens im
Allgemeinen nicht verhindern kann, dass in einer anderen Branche durch Benutzungsaufnahme ein
Kennzeichenrecht an dem gleichen Zeichen entsteht. Ist ein solches Recht erst einmal entstanden,
muss auch die Registrierung des entsprechenden Domainnamens hingenommen werden. Da es vernünftiger
kaufmännischer Praxis entspricht, sich bereits vor der Benutzungsaufnahme den entsprechenden
Domainnamen zu sichern, führt die gebotene Interessenabwägung dazu, dass eine der
Benutzungsaufnahme unmittelbar vorausgehende Registrierung nicht als Namensanmaßung und damit als
unberechtigter Namensgebrauch anzusehen ist (BGH GRUR 2005, 430, 431 – mho.de). Es kann
dahinstehen, ob diese Grundsätze auch dann gelten, wenn der Registrierung des Domainnamens die
Anmeldung und Eintragung einer entsprechenden Marke alsbald nachfolgt und der Domainname das
Markenprodukt im Marktauftritt online begleiten soll (Hack-barth, WRP 2006, 519, 524 f.;
Bettinger, Handbuch des Domainrechts, 2008, Teil 2, Rdn. DE 382 f.), oder ob dem entgegensteht,
dass das Recht aus der Marke keine Befugnis verleiht, einen in der Marke enthaltenen Namen als
solchen zur Identitätsbezeichnung zu tragen (vgl. BGH, Urt. v. 8.2.1996 – I ZR 216/93, GRUR 1996,
422, 423 = WRP 1996, 541 – J. C. Winter).
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte keine konkreten Pläne für eine
Nutzung des Domainnamens als Unternehmenskennzeichen oder Marke vorgetragen. Auf seine nationale
Marke „Afilias“ kann der Beklagte sich auch deshalb nicht berufen, weil deren Anmeldung am 27.
Mai 2003 und Eintragung am 7. Januar 2004 nicht alsbald der Registrierung des Domainnamens am
24. Oktober 2000 nachfolgten. Zudem ist diese Marke infolge des Widerspruchs der Klägerin aus
deren am 26. März 2001 angemeldeter und am 14. April 2002 eingetragener Gemeinschaftsmarke
„Afilias“ mittlerweile aufgrund von Beschlüssen des Deutschen Patent- und Markenamts vom
28. September 2005 und des Bundespatentgerichts vom 30. Januar 2008 weitgehend gelöscht und
genießt nicht länger Schutz für die Dienstleistungen, die der Beklagte unter dem Domain-namen
anzubieten behauptet. Der Beklagte kann daher nicht geltend machen, sein Internet-Auftritt solle
die Vermarktung von unter der Marke angebotenen Dienstleistungen fördern.
bb) Eine weitere Ausnahme kann in dem – hier gegebenen – Fall geboten sein, dass das
Kennzeichen- bzw. Namensrecht des Berechtigten erst nach der Registrierung des Domainnamens
durch den Domaininhaber entstanden ist.
Der gegenteiligen Ansicht des Berufungsgerichts, nach der es für den Anspruch des Berechtigten
gegen den Domaininhaber wegen Verletzung des Namensrechts nicht von Bedeutung ist, ob der
Berechtigte das Namensrecht erst nach der Registrierung des Domainnamens erworben hat, kann nicht
beigetreten werden. Allerdings wird die Ansicht vertreten, der Inhaber eines
Unternehmenskennzeichens könne gegenüber jedem, der einen mit seinem Unternehmenskennzeichen
übereinstimmenden Domainnamen für private oder sonstige außergeschäftliche Zwecke benutze und sich
nicht auf ein Kennzeichen- oder Namens-recht an dem Domainnamen berufen könne, nach § 12 BGB
Unterlassungs- und Löschungsansprüche geltend machen, selbst wenn die Registrierung des
Domainnamens vor der Entstehung des Unternehmenskennzeichens erfolgt sei (Bet-tinger aaO Rdn. DE
403 und 370 sowie – zur Marke – DE 128 und 124; ebenso Bröcher, MMR 2005, 203, 206 f.). Dies wird
damit begründet, dass allein durch die Registrierung kein absolutes Recht an dem Domainnamen
entstehe.
Die Revision macht demgegenüber zu Recht geltend, dass die Registrierung eines zum Zeitpunkt der
Registrierung in keinerlei Rechte eingreifenden Domain-namens im Hinblick auf die eigentumsfähige,
nach Art. 14 GG geschützte Position des Domaininhabers nicht ohne weiteres wegen später
entstandener Namens-rechte als unrechtmäßige Namensanmaßung qualifiziert werden kann (vgl. LG
München I MMR 2004, 771, 772). Auch wenn der Domaininhaber durch die Registrierung kein absolutes
Recht an dem Domainnamen erwirbt, begründet der Vertragsschluss mit der Registrierungsstelle doch
ein relativ wirkendes vertragliches Nutzungsrecht, das dem Inhaber des Domainnamens ebenso
ausschließlich zugewiesen ist wie das Eigentum an einer Sache (BVerfG GRUR 2005, 261). Es begegnet
zwar keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass derjenige, der durch die Registrierung eines
Domainnamens bereits bestehende Kennzeichen- oder Namensrechte verletzt, zur Beseitigung der
Störung verpflichtet ist (vgl. BVerfG GRUR 2005, 261 f.). Anders verhält es sich aber, wenn das
Namensrecht erst nach der Registrierung entsteht. In einem solchen Fall setzt sich das Namensrecht
des Berechtigten nicht ohne weiteres gegenüber dem Nutzungsrecht des Domaininhabers durch;
vielmehr ist eine Abwägung der betroffenen Interessen geboten.
Dabei wird sich der Dritte, der den Domainnamen als Unternehmenskennzeichen verwenden möchte,
regelmäßig nicht auf ein schutzwürdiges Interesse berufen können. Er kann vor der Wahl einer
Unternehmensbezeichnung, die er auch als Internet-Adresse verwenden möchte, unschwer prüfen, ob
der entsprechende Domainname noch verfügbar ist; ist der gewünschte Domainname bereits vergeben,
wird es ihm oft möglich und zumutbar sein, auf eine andere Unternehmensbezeichnung auszuweichen.
Die Interessenabwägung geht dann in aller Regel zugunsten des Domaininhabers aus. Anders verhält
es sich allerdings, wenn es dem Domaininhaber wegen Rechtsmissbrauchs versagt ist, sich auf seine
Rechte aus der Registrierung des Domainnamens zu berufen. So verhält es sich insbesondere dann,
wenn der Domaininhaber den Domainnamen ohne ernsthaften Benutzungswillen in der Absicht
registrieren ließ, sich diesen von dem Inhaber eines entsprechenden Kennzeichen- oder Namensrechts
abkaufen zu lassen (vgl. BGH, Urt. v. 9.10.1997 – I ZR 95/95, GRUR 1998, 412, 414 = WRP 1998, 373
– Analgin; Urt. v. 19.2.1998 – I ZR 138/95, GRUR 1998, 1034, 1036 f. = WRP 1998, 978 – Makalu;
Urt. v. 23.11.2000 – I ZR 93/98, GRUR 2001, 242, 244 = WRP 2001, 160 – Classe E; Beschl. v.
30.10.2003 – I ZB 9/01, GRUR 2004, 510, 511 = WRP 2004, 766 – S100; OLG Hamm MMR 2005, 377, 382 f.).
Das Berufungsgericht hat die gebotene Interessenabwägung nicht vorgenommen und keine Feststellungen
dazu getroffen, ob der Vortrag der Klägerin zutrifft, der Beklagte habe den Domainnamen nur
deshalb registriert, um ihn sich abkaufen zu lassen. Es kann daher nicht abschließend beurteilt
werden, wessen Interessen an dem Domainnamen im Streitfall der Vorrang gebührt.
4. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die
Gegenrüge der Revisionserwiderung, die Klägerin habe entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts
das spätestens Anfang Oktober 2000 entstandene Namensrecht des Afilias-Konsortiums an der
Bezeichnung „Afilias“ übernommen, so dass die Klägerin sich auf ein bereits vor der Registrierung
des Domainnamens „www.afilias.de“ durch den Beklagten Ende Oktober 2000 entstandenes Namensrecht
berufen könne, hat keinen Erfolg. Es kann dahinstehen, ob die Beurteilung des Berufungsgerichts,
das Vorbringen der Klägerin zur Über-nahme eines Namensrechts des Konsortiums könne nach § 529
Abs. 1 Nr. 2, § 531 Abs. 2 ZPO nicht berücksichtigt werden, frei von Rechtsfehlern ist. Entgegen
der Ansicht der Revisionserwiderung kann jedenfalls nicht angenommen werden, dass dem Konsortium
bereits spätestens Anfang Oktober 2000 ein Namensrecht an der Bezeichnung „Afilias“ zustand.
a) Eine von Haus aus unterscheidungskräftige Kennzeichnung erlangt dadurch Schutz nach § 5
MarkenG, dass sie im Inland im geschäftlichen Verkehr in Gebrauch genommen wird (vgl. BGHZ 120,
103, 107 – Columbus). Hierfür ist es allerdings nicht erforderlich, dass die Bezeichnung so weit
in den inländischen Verkehr eingedrungen ist, dass sie in den beteiligten Verkehrskreisen schon
eine gewisse Anerkennung als Hinweis auf das ausländische Unternehmen gefunden hat; insbesondere
ist es nicht erforderlich, dass das Unternehmen bereits gegenüber allen Marktbeteiligten oder
auch nur seinen künftigen Kundenkreisen in Erscheinung getreten ist. Ausreichend ist vielmehr,
wenn die Bezeichnung im Inland in einer Weise in Gebrauch genommen worden ist, die auf den Beginn
einer dauernden wirtschaftlichen Betätigung schließen lässt (BGH, Urt. v. 2.4.1971 – I ZR 41/70,
GRUR 1971, 517, 519 – SWOPS; BGHZ 75, 172, 176 – Concordia; BGH GRUR 1997, 903, 905 – GARONOR).
b) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, es sei nicht ersichtlich, dass das
Konsortium in Deutschland bereits im Jahre 2000 geschäftlich tätig geworden sei. Die Bewerbung des
Konsortiums um die Position eines „Registry“ für die Top-Level-Domain „.info“ bei der ICANN in den
Vereinigten Staaten von Amerika hat das Berufungsgericht zutreffend nicht als Teilnahme am
Geschäftsverkehr in Deutschland gewertet; dass die TOP-Level-Domain „.info“ weltweit Relevanz
besitzt, rechtfertigt entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung keine abweichende Bewertung.
Auch die Berichterstattung in Deutschland über die Gründung des Konsortiums und dessen Bewerbung
bei der ICANN stellt, wie das Berufungsgericht richtig angenommen hat, keine Benutzung der
Bezeichnung im inländischen Geschäftsverkehr dar; darauf dass die Benutzung der Bezeichnung nicht
durch den Rechtsinhaber selbst erfolgen muss, kommt es, anders als die Revisionserwiderung meint,
insoweit nicht an. Die unter Verwendung der Bezeichnung „Afilias“ geführte Korrespondenz mit einem
inländischen Partner des Konsortiums hat das Berufungsgericht schließlich zu Recht als einen rein
unternehmensinternen Vorgang angesehen, der keinen Kennzeichenschutz begründet; dass dieses dem
Konsortium angehörende Unternehmen nicht in dem Konsortium aufgegangen ist, sondern ein
eigenständiges Unternehmen geblieben ist, steht, anders als die Revisionserwiderung meint, dieser
Beurteilung nicht entgegen.
III. Auf die Revision des Beklagten ist das Berufungsurteil daher aufzuheben und die Sache zur
neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen.
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