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Tenor Tatbestand Entscheidungsgründe zurück zu den Urteilen
biolandwirt.de
§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG; § 12 BGB
LG München I; Urteil vom 13.08.2002; ger. Az.: -9 HK O 8263/02-
1. Die Bezeichnungen BIOLAND und BIOLANDWIRT sind nicht verwechslungsfähig.
2. Der Grundsatz, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf verschiedene Einzelbestandteile achtet, gilt auch, wenn sich das ältere Zeichen in einem jüngeren zusammengesetzten Zeichen identisch wiederfindet.
(Leitsatz der Kanzlei Flick)
Aus dem Tatbestand:
Der Kläger macht gegen die Beklagte einen markenrechtlichen bezw. wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend.
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der satzungsmäßig das Ziel verfolgt, die von den Forschern Dr. und Dr. … entwickelte organisch-biologische Landbaumethode in der Bundesrepublik Deutschland umzusetzen und zu fördern. Zu seinen Aufgaben gehört u.a. auch die Aufrechterhaltung der Kollektivmarke "BIOLAND" sowie die Unterbindung von Verletzungen und einer Verwässerung dieser Kollektivmarke.
Der Kläger ist außerdem Inhaber der Wortmarke "Bioland" Nr. 394 02 959 und des Verbandszeichens "Bioland" 968 288.
Der Kläger behauptet, dass der Bekanntheitsgrad seiner Marke und seines Verbandnamens bei 83, 9 % liege.
Letztlich ist für den Kläger der Domain-Name "bioland. de" eingetragen.
Die Beklagte betätigt sich als Internet-Service-Provider. Für sie ist der Domain-Name "biolandwirt. de" registriert. Sie bot diesen Domain-Namen im Internet zur Verpachtung an.
Der Kläger ist der Meinung, dass sich die Beklagte mit diesem Angebot die Popularität und Aktualität des Begriffs "Bioland" zu nutze mache, um Interessenten als Kunden zu werben. Abs. 7
Die Registrierung und Nutzung des Domain-Namens "biolandwirt. de" sei rechtswidrig. Deswegen habe der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung gemäß §§ 5, 15 MarkenG, § 12 BGB und §§ 1, 3 UWG.
Wegen der Einzelheiten der klägerischen Begründung wird auf deren Schriftsätze vom 07.05.2002 und 17.06.2002 hingewiesen.
(...)
(Die Beklagte trug vor,) dass dem Kläger aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt Ansprüche zustünden.
Der Wortbestandteil "Bio" habe überhaupt keine Kennzeichnungskraft. Der Wortbestandteil "Land" sei ein geographischer Begriff.
Zwischen den streitgegenständlichen Begriffen bestehe keine Verwechselungsgefahr.
Ansprüche aus § 12 BGB und §§ 1, 3 UWG seien schon aus rechtssystematischen Gründen grundsätzlich ausgeschlossen.
Letztlich werde der Einwand gemäß § 23 MarkenG erhoben und hierzu hilfsweise beantragt, den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes über das Vorabentscheidungsgesuch des BGH vom 07.02.2002 zu dieser Rechtsfrage auszusetzen.
(...)
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Klage erwies sich in vollem Umfang als unbegründet, weil dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zusteht. Im einzelnen ist hierzu auszuführen:
1. ein Anspruch des Klägers aus § 14 II Nr. 2 MarkenG ist nicht gegeben, weil eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zwischen den sich gegenüberstehenden streitgegenständlichen Zeichen nicht besteht.
Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Dabei ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, im Klang oder in der Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher dieser Art von Waren und Dienstleistungen wirkt. Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke aber normalerweise als Ganzes war und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten (vgl. Europäischer Gerichtshof, GRUR 98/56, 57 - "Springende Raubkatze").
Auch nach höchstrichterlicher Rechtsprechung des BGH besteht der Erfahrungssatz, dass der Verkehr Marken regelmäßig in der Form aufnimmt, in der sie ihm entgegentreten, ohne dass eine analysierende, in mögliche Bestandteile zu gliedernde und/oder der Begriffsbedeutung nachgehende Betrachtungsweise Platz greift (vgl. BGH in GRUR 99/753, 736).
Die Verwechslungsgefahr für das Publikum muß unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles umfassend beurteilt werden. Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr bedingt eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt. Der Grundsatz, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf verschiedene Einzelheiten achtet, gilt auch, wenn sich das ältere Zeichen in einem jüngeren zusammengesetzten Zeichen identisch wiederfindet, sowie bei Warenidentität (vgl. Ingerl/Ronke, Anm. 386 zu § 14 MarkenG mit Rechtsprechungshinweisen).
Nach diesen vorstehenden Erwägungen steht fest, dass eine zergliedernde Betrachtungsweise für die Marken bzw. Bezeichnungen der Parteien streitgegenständlich nicht zulässig ist. Es ist vielmehr von den vollständigen sich gegenüberstehenden Bezeichnungen auszugehen. Dies sind für den Kläger einerseits die von ihm eingetragenen Marken und seine Bezeichnung "Bioland" sowie andererseits die für die Beklagte eingetragene Internet-Domain "biolandwirt".
Für die Verwechslungsprüfung ist zwar maßgebend, dass der BGH als allgemeinen Grundsatz annimmt, dass die Wortanfänge stärker betrachtet werden als nachfolgende Wortteile (vgl. Ingerl/Ronke, Anm. 328 zu § 14 MarkenG), im streitgegenständlichen Fall ist aber der Wortanfang der sich gegenüberstehenden Zeichen "Bio" schon deshalb zu vernachlässigen, weil diesem Wortbestandteil jegliche Unterscheidungs- bzw. Kennzeichnungskraft fehlt. Wie dem Gericht aus anderen Verfahren bekannt ist, wird die Silbe "bio" bei einer Unzahl von Marken in den verschiedensten Klassen als Wortanfang verwendet, ähnlich den Begriffen wie "geo" oder "auto". Dieser Wortbestandteil kann deshalb den Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen nicht prägen. Er ist als rein beschreibend anzusehen.
Im gleichen Maße verhält es sich mit dem weiteren Wortbestandteil "Land". Dieser Wortbestandteil steht in dem vom Kläger beanspruchten Zusammenhang (Erzeugung von Nahrungsmitteln) für die Wortbegriffe "Acker" bzw. "Feld". Auch dieser Wortbestandteil ist deshalb als rein beschreibend anzusehen.
Bei der vorzunehmenden Gesamtbeurteilung ist deshalb im streitgegenständlichen Fall auf den jeweiligen Gesamtbegriff abzustellen, wobei sich der von der Beklagten verwendete Begriff "Biolandwirt" in nicht verwechslungsfähiger Weise zu dem vom Kläger verwendeten Begriff "Bioland" verhält.
Stellt man die streitenden Bezeichnungen in ihrer Gesamtheit gegenüber, so scheidet eine mögliche klangliche, schriftbildliche oder begriffliche Verwechslung aus. Auch für den flüchtigen Durchschnittsverbraucher (erst recht für den durchschnittlich aufmerksamen) erschließt sich bei Betrachtung der streitgegenständlichen Zeichen ein begrifflicher Unterschied. Die Klagemarken weisen eindeutig auf die biologische Erzeugung von Nahrungsmitteln hin, während die von der Beklagten verwendete Bezeichnung eine allgemeine Berufsbezeichnung bedeutet.
Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr wäre deshalb überhaupt nur dann zu befürchten, wenn man davon ausginge, dass der Gesamteindruck des Begriffs der Beklagten überwiegend von nur einem der Bestandteile, nämlich von dem Begriff "Bioland" geprägt wird. Nur dann ist nämlich gemäß der Rechtsprechung des BGH eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr von sog. Kombinationszeichen in der Regel auf den Gesamteindruck des jeweiligen Zeichens abzustellen ist, gerechtfertigt. Ein derartiger Sonderfall ist jedoch, wie bereits ausgeführt, nicht gegeben. Der Begriff der Beklagten wird nicht wie "Bioland-Wirt", sondern wie "Bio-Landwirt" ausgesprochen.
Zusammenfassend ergibt sich deshalb, dass unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen die sich streitgegenständlich gegenüberstehenden Bezeichnungen bei der vorzunehmenden Beurteilung des Gesamteindrucks nicht verwechslungsfähig sind. Im übrigen würde der Beklagten insoweit auch noch § 23 II MarkenG zur Seite stehen, was jedoch nicht mehr im einzelnen auszuführen ist.
2. Ein Anspruch aus § 14 II Nr. 3 MarkenG ist auch bei Unterstellung des vom Kläger behaupteten Bekanntheitsgrades seiner Marken schon deshalb nicht gegeben, weil die vom Kläger beanstandete Verwendung des Zeichens "biolandwirt.de" durch die Beklagte (Verpachtung von Namensraum an interessierte Biobauer und Verwendung als Werktitel für elektronisch abrufbare Informationen von, für und über Biolandwirte) sich im Rahmen einer branchen- /Produktnähe zum Kläger befindet. Branchen- bzw. produktfremde Begehungsgefahren durch die Beklagte sind vom Kläger überhaupt nicht vorgetragen. § 14 II Nr. 3 MarkenG ist deshalb auf den streitgegenständlichen Fall schon aus diesem Grund nicht anzuwenden. Aber selbst wenn man zugunsten des Klägers eine grundsätzliche Anwendung dieser Vorschrift annehmen würde, gäbe sie dem Kläger keinen Unterlassungsanspruch, weil eine unlautere Ausnutzung oder Beeinträchtigung der klägerischen Marken durch die Beklagte nicht vorgetragen bzw. unter Beweis gestellt wurde. Letztlich besteht, wie aus den Ausführungen unter Nr. 1 folgt, nicht einmal eine Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Begriffe im Sinne von § 14 II Nr. 3 MarkenG.
3. Ein Anspruch aus § 12 BGB ist schon deshalb nicht gegeben, weil im geschäftlichen Verkehr der bürgerlich-rechtliche Namensschutz nicht weiter als der Schutz nach § 5 MarkenG geht (vgl. von Schultz, Markenrecht, Anm. 45 zu § 5 MarkenG). Hinzu kommt, dass die beiden sich gegenüberstehenden Namen nicht vollständig übereinstimmen und gemäß den obigen Ausführungen unter Nr. 1 nicht verwechslungsfähig sind.
4. Ansprüche aus §§ 1, 3 UWG sind nicht gegeben, weil der Schutz der bekannten Marke, wie vom Kläger beansprucht, eine umfassende spezielle gesetzliche Regelung in § 14 II Nr. 3 MarkenG darstellt, so dass für die gleichzeitige paralelle Anwendung der Vorschriften des UWG grundsätzlich kein Raum besteht.
Die Klage war deshalb in vollem Umfang aus jedem möglichen rechtlichen Gesichtspunkt als unbegründet abzuweisen.
(...)
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