|
Tenor Tatbestand Entscheidungsgründe zurück zu den Urteilen
Erschöpfung bei downloads
§ 69 c Nr. 3 UrhG, § 17 Abs. 2 UrhG
LG München; Urteil vom 6. 01. 2006 - 7 O 23237/05 -
1. Zweck des Erschöpfungsgrundsatzes ist es nicht, das Werk an sich verkehrsfähig zu machen, sondern die Verkehrsfähigkeit des Wertstücks zu erhalten.
2. Bei einem download der Software besteht bereits von Anfang an keine Verkehrsfähigkeit, weshalb es keines Ausgleichs der Interessen bedarf und eine Weitergabe eines Vervielfältigungsstück einer heruntergeladenen Software nicht unter den Erschöpfungsgrundsatz fällt.
3. Der Rechteinhaber kann daher den Weiterverkauf der Software untersagen.
(Leitsatz der Kanzlei Flick)
Aus dem Tatbestand:
Die Antragstellerin entwickelt, vertreibt und stellt Computersoftware, insbesondere Datenbanksoftware her. Sie nimmt die Antragsgegnerin, die mit "gebrauchten" Softwarelizenzen handelt, wegen behaupteter Urheberrechts- und Markenverletzung sowie wegen wettbewerbswidriger Werbeaussagen auf Unterlassung in Anspruch.
Die Antragstellerin nimmt für sich die Urheberrechte an den xx Programmen yy und zz in Anspruch. Sie ist Inhaberin der deutschen Wortmarken Nr. 123 und 456 der Gemeinschaftsmarken Wortmarke Nr. 123 und Wort-/Bildmarke Nr. 456 .Wegen der Verzeichnisse der geschützten Waren/Dienstleistungen sowie der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlagen AS 2 bis AS 5 Bezug genommen. Der Ersterwerb der Software durch die Kunden der Antragstellerin erfolgt in 85 % der Fälle in der Weise, dass die Software über das Internet zum Herunterladen (Download) zu Verfügung gestellt wird. In 15 % der Fälle erwerben die Kunden die Software auf einer CD-ROM.
Mit dem Erwerb der Software wird dem Kunden von der Antragstellerin ein zeitlich unbegrenztes Nutzungsrecht oder (seltener) gegen wiederkehrende Zahlungen ein zeitlich begrenztes Nutzungsrecht eingeräumt. Das Nutzungsrecht beinhaltet nach den maßgeblichen vertraglichen Bestimmungen das Recht, die Software auf einen Server zu kopieren und entweder einer bestimmten Anzahl von Nutzern Zugriff auf den Server einzuräumen oder die Software mit einer bestimmten Anzahl von Prozessoren zu nutzen, je nach erworbener Lizenzart und Anzahl der erworbenen Lizenzen. Updates der Software werden im Rahmen eines Software-Pflegevertrages geliefert.
Die Lizenzverträge der Antragstellerin enthalten unter "C. Rechtseinräumung" folgende Bestimmung:
"Mit der Auftragsbestätigung räumt ... Ihnen das beschränkte Recht zur Nutzung der Programme und Inanspruchnahme jeglicher Services, die sie bestellt haben, ausschließlich für Ihre internen Geschäftszwecke ein. Maßgeblich für die Nutzung sind die Bestimmungen dieses Vertrages, ..."
Vom 05. bis 22. November 2005 warb die Antragsgegnerin auf ihrer Internetseite unter der Adresse www.xx wie folgt:
(...)
Die Antragsgegnerin versandte auch Werbe-E-Mails mit der Datei yy so z.B. am 03.11.2005 durch den Geschäftsführer der Antragsgegnerin. Die E-Mail hatte den Betreff "Große yy Sonderaktion" und enthielt unter anderem folgenden Text:
(...)
Die Antragstellerin trägt vor, die Antragsgegnerin würde auf Nachfrage ihren Kunden gegen Zahlung eines zusätzlichen Entgelts von € 39,00 ein so genanntes Media Kit anbieten, das die Software der Antragsgegnerin auf einem Datenträger enthalte. Sie ist der Auffassung, dass auch die bloße Verschaffung einer Nutzungsrechtseinräumung ohne Zurverfügungstellung der Software durch die vertragliche Bestimmung in Buchstabe C eine Weitergabe der Lizenzen durch die Kunden an Dritte ausschließe. Bei dem Zukauf von Lizenzen durch einen Kunden der Antragsgegnerin finde durch das Laden der Software in den Speicher des Arbeitsplatzrechners eine unerlaubte Vervielfältigung der Software statt. Eine Erschöpfung sei bezüglich der Software der Antragstellerin in dieser Fallgestaltung jedoch nicht eingetreten, diese sei allenfalls bei der Weitergabe der Software durch die Antragstellerin auf einem körperlichen Datenträger denkbar. Die Grundsätze der Rechtsprechung zur Erschöpfung seien auf unkörperliche Werkstücke nicht anwendbar, da das Bedürfnis, die Verkehrsfähigkeit zu erhalten, nur bei körperlichen Gegenständen bestehe.
Die Benutzung der mit der deutschen Wortmarke Nr. ... der Gemeinschaftswortmarke Nr. ... identische Zeichen verstoße gegen § 14 Abs. 2 Nr. I MarkenG.
Durch die schlagwortartig und in großer Schrift hervorgehobene Werbung "GROSSE ... SONDERAKTION" gemäß Anlage AS 9 und "...SONDERAKTION" gemäß Anlage AS 8 erwecke die Antragsgegnerin den unzutreffenden Eindruck, der Vertrieb der Lizenzen erfolge mit Zustimmung der Antragstellerin, die Antragstellerin billige diese Sonderaktion, und dass die Antragsstellerin mit der Antragsgegnerin in irgendeiner Form zusammenarbeite. Sie erwecke dadurch den Eindruck, dass es sich bei dem Kauf von Software von der Antragsgegnerin um einen ordnungsgemäßen Lizenzerwerb handele. Dieser Eindruck werde durch den Hinweis "Der rechtmäßige Verkauf wird durch ein Notartestat bestätigt" noch in besonderer Weise verstärkt. Des Weiteren liege eine unmittelbare Leistungsübernahme vor. Insbesondere die Werbung "Jetzt begehrte ...-Lizenzen sichern" sei eine gezielte Ausnutzung der Wertschätzung der Originalprodukte der Antragstellerin.
(...)
Die Antragsgegnerin trägt vor, sie stelle ihren Kunden die Software der Antragstellerin grundsätzlich nicht zur Verfügung. Sie räume ihren Kunden lediglich Nutzungsrechte ein. Primäre Zielgruppe der Antragsgegnerin seien Lizenzinhaber, die die Software anderweitig bereits besitzen und ihre Nutzungsrechte erweitern wollten. Wenn ein Kunde der Antragsgegnerin bereits über Nutzungsrechte für 100 Arbeitsplätze einer bestimmten xx-Software verfüge, aber Rechte für 150 Arbeitsplätze benötigt, biete ihm die Antragsgegnerin den Erwerb weiterer Nutzungsrechte für 50 Arbeitsplätze gegen eine an die Antragsgegnerin zu leistende Zahlung an. Der Kunde richte dann auf weiteren 50 Arbeitsplätzen einen Zugriff zur xx-Software ein, ohne dass ihm Software von der Antragsgegnerin zur Verfügung gestellt werde. Bei der Software handelt es sich um sog. Client-Server Software, die auf einem Server dauerhaft gespeichert und bei jedem Zugriff durch einen am Server angeschlossenen Arbeitsplatz in den Speicher des jeweiligen Arbeitsplatzrechners geladen werde. Sie erwerbe von den Verkäufern eine bestimmte Anzahl Softwarelizenzen. Der Verkäufer bestätige gegenüber einem Notar unter Angabe der Lieferscheinnummer und Bestellnummer, dass er rechtmäßiger Inhaber der übertragenen Lizenzen gewesen sei und diese Lizenzen vom Softwarehersteller erworben habe. Außerdem bestätige der Verkäufer, dass er die gekauften Computerprogramme vernichtet habe und nicht mehr verwende. In aller Regel hätten die Kunden der Antragsgegnerin bereits eine bestimmte Anzahl der gekauften Software in Benutzung. Sie könnten daher bei der Antragsgegnerin ihren Lizenzbestand durch die gebrauchten Lizenzen erweitern. Datenträger würden bei diesem Rechtskauf dagegen nicht übergeben. Bei Bedarf lade sich der Kunde die Software von der Homepage der Antragstellerin herunter, da er ja ein Lizenzrecht für die jeweilige Software erworben habe. Die Antragstellerin stelle keine Vervielfältigungen von ...-Software her, so genannte MediaKits mit dieser Software vertreibe sie nicht. Die Auskunft des Herrn xy auf die sich die Antragstellerin stütze, sei falsch. Im Übrigen habe sie bisher noch keine xx veräußert.
Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, dass sie die Urheberrechte der Antragstellerin nicht verletze, da der Erschöpfungsgrundsatz nach § 69 c Nr. 3 S. 2 UrhG greife. Das Verbreitungsrecht an der Software erschöpfe sich, wenn diese mit Zustimmung der Antragsgegnerin im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht werde. Die Antragsgegnerin verkaufe keine Programmkopien, sondern das Recht, die Software der Antragstellerin zu benutzen. Der Inhaber des Nutzungsrechts sei berechtigt, die Software auf einen Server zu kopieren. Demzufolge sei auch der Erwerber dieses Nutzungsrechts, also der Kunde der Antragsgegnerin, berechtigt, die Software von der Homepage der Antragsgegnerin herunter zu laden. Hinsichtlich der Verkehrsfähigkeit von Softwarelizenzen könne es auch keinen Unterschied machen, ob die Antragstellerin ihre Software über Datenträger veräußere oder über Download. Der Kunde müsse über das von ihm erworbene Nutzungsrecht auch verfügen können. Würde man bei einer Online-Übertragung die Erschöpfungswirkung verneinen, wäre der Erwerber von online übermittelter Software nicht wirklicher Eigentümer der Software und könne sie nicht weiterverkaufen. Habe der Kunde keine Verwendung für die Software mehr, könne er nichts mit ihr anfangen, obwohl er sie doch gekauft habe. Im Ergebnis müsse dann die Antragsgegnerin die Veräußerer der Software nur bitten, das letzte Update der Software vor der Veräußerung auf CD-ROM anzufordern, um eine Erschöpfungswirkung zu erreichen. Eine aufgrund technischen Fortschritts ermöglichte Erleichterung bei der Softwareübertragung dürfe nicht dazu führen, dass sich die Softwarehersteller den Wirkungen des Erschöpfungsgrundsatzes entziehen könnten. Bei dem Verkauf von xx-Lizenzen durch die Antragsgegnerin handele es sich im Übrigen nicht um eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 69 c Nr. 4 UrhG. Die Auslegung des als Anlage AS 14 vorgelegten Softwareüberlassungsvertrages ergebe eindeutig, dass es sich hierbei um einen Kaufvertrag handele. Die xx-Lizenzen würden den Kunden der Antragstellerin dauerhaft und zum freien Gebrauch überlassen. Bei Ablehnung einer Erschöpfungswirkung wäre die von der Antragstellerin verkaufte Software nicht mehr verkehrsfähig. Entgegen dem kaufvertraglich ausgestalteten Softwareüberlassungsvertrag könnten die Kunden der Antragstellerin über die gekauften Lizenzrechte nicht frei verfügen, was eine Täuschung der Kunden darstelle. Eine etwaige Nutzungsrechtsbeschränkung dürfe nicht so weit gehen, dass der Kunde der Antragstellerin seine gekauften Lizenzen nicht weiterverkaufen dürfe. Eine solche Vertragsvereinbarung führe gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB zu einer unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners.
Eine markenmäßige Benutzung des Zeichens xx durch die Antragsgegnerin liege nicht vor, da es sich um einen rein beschreibenden Zeichengebrauch handele. Jedenfalls habe sich der Markenschutz der Antragstellerin nach § 24 MarkenG erschöpft. Ein berechtigter Grund der Antragstellerin, sich der Benutzung der Marke im Zusammenhang mit dem weiteren Vertrieb zu widersetzen, bestehe nicht. In den Anzeigen der Antragsgegnerin werde auch nicht der unzutreffende Eindruck hervorgerufen, der Vertrieb der Lizenz erfolge mit Zustimmung der Antragstellerin, die Antragstellerin billige die Sonderaktion oder dass die Antragstellerin mit der Antragsgegnerin in irgendeiner Form zusammenarbeite. Die Werbeaussagen seien somit auch nicht wettbewerbswidrig.
Auch ein Verfügungsgrund bestehe mangels Dringlichkeit nicht, denn die Antragstellerin habe seit Kenntnis der vermeintlichen Verletzungshandlungen bis zum in der mündlichen Verhandlung neu gefassten Antrag mehr als einen Monat verstreichen lassen. Die Antragstellerin habe spätestens am 04.11.2005 Kenntnis von dem vermeintlichen Verstoß und dem Verletzer erhalten. Die erst am 05.12.2005 angestellten Nachforschungen der Antragstellerin seien erst nach Ablauf der Monatsfrist erfolgt.
Die Antragstellerin tritt dem entgegen. Unkörperliche Verwertungsformen fielen nicht unter das Verbreitungsrecht und unterlägen somit auch nicht der Erschöpfung. In § 69 c Nr. 4 UrhG sei ausdrücklich klargestellt, dass die öffentliche Zugänglichmachung von Computerprogrammen per Download über das Internet eine eigene zustimmungsbedürftige Handlung sei und somit keine Verbreitung nach § 69 c Nr. 3 S. 2 UrhG darstelle. Eine analoge Anwendung des § 69 c Nr. 3 S. 2 UrhG auf die Fälle des Downloads scheide aus, da keine Gesetzeslücke vorliege. Auch aus Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG vom 22. Mai 2001 ergebe sich, dass eine Erschöpfung in den Fällen des Downloads ausscheide. Aber auch wenn man eine Erschöpfung annehme, beziehe sich diese nur auf die mittels des Downloads durch den Nutzer auf seinem Rechner hergestellte Erstkopie der Software. Die Angabe dass die Rechtmäßigkeit des Verkaufs durch ein Notartestat bestätigt werde, sei irreführend. Die Aussage erwecke bei juristischen Laien den Eindruck, dass der Notar die Rechtmäßigkeit des Lizenzerwerbs bestätige, sowie, dass sich dies auch auf den Erwerbsvorgang zwischen Antragsgegnerin und Kunden beziehe. Auch wenn der Auffassung zu folgen sei, dass die Online-Übermittlung der betroffenen Software zu einer Erschöpfung des Verbreitungsrechts führe, so beinhalte dies nicht, dass der Ersterwerber des Nutzungsrechte dieses aufgeteilt weiterlizenzieren könne. Damit entstünden eine Vielzahl von Nutzungsberechtigten und Nutzungsrechten, die der Urheber bei der Erstverbreitung nicht eingeräumt habe. Dass der Urheber seine Verwertungsinteressen bei einer 1000 Nutzer umfassenden Lizenz anders gewichte als bei 40 Lizenzpaketen a 25 Lizenzen, komme auch in der degressiven Vergütungsstruktur der Antragstellerin zum Ausdruck.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 15.12.2005 Bezug genommen. Nach Schluss der mündlichen Verhandlungen haben beide Parteien am 12.1.2006 jeweils einen Schriftsatz eingereicht.
Aus den Entscheidungsgründen:
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist begründet.
I.
Ein Verfügungsgrund besteht (§ 940 ZPO; § 12 Abs. 2 UWG) auch hinsichtlich der im Termin vom 15.12.2005 neu gefassten Anträge 1 und 3. Der neu gefasste Antrag 1 bezieht sich - anders als die Anträge 1 und 2 gemäß Antragsschrift vom 2.12.2005 - nicht mehr auf die Herstellung von Vervielfältigungsstücken von ...-Software, deren Vermietung, öffentliche Wiedergabe oder öffentliche Zugänglichmachung durch die Antragsgegnerin sowie die Verbreitung von Vervielfältigungsstücken, sondern nur mehr auf die Mitwirkung an einer Vervielfältigungshandlung durch die Kunden der Antragsgegnerin. Der behauptete Vertrieb der sog. Media-Kits ist daher nicht mehr Streitgegenstand. Gegenüber dem Antrag 4 gemäß Antragsschrift vom 2.12.2005 wurde der im Termin gestellte Antrag 3 nur insoweit abgeändert, als sich das Verbot auf "Lizenzen" statt auf "Kopien" der Software bezieht.
Die Antragstellerin hat hinreichend glaubhaft gemacht, dass ihr Mitarbeiter xy am 03.11.20005 vom Verkauf "gebrauchter" xx durch die Antragsgegnerin erfahren hat (eidesstattliche Versicherung des Justitiars der Antragstellerin, Anlage AS 1) . Der ursprüngliche Antrag ist am 02.12.2005 bei Gericht eingegangen, die Dringlichkeitsfrist von einem Monat ist daher gewahrt. Aber auch insoweit sich der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag auf einen vom ursprünglichen Antrag abweichenden Sachverhalt stützt, ist die Dringlichkeitsfrist gewahrt. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass sie durch die Telefonate ihres Mitarbeiters zz vom 05. und 06.12.2005 davon erfahren hat, dass die Antragsgegnerin üblicherweise lediglich Nutzungsrechte veräußert, während sie die Software ihren Kunden grundsätzlich nicht zur Verfügung stellt. Frühere positive Kenntnis dieser Tatsachen seitens der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht erkennbar. Die von der Antragsgegnerin getätigten Werbemaßnahmen, die als Bestandteil der Anlage AS 1 vorgelegt wurden, sind insofern nicht eindeutig. Zwar ist dort von Lizenzrechten die Rede. Insbesondere die Bezugnahme auf die Aktualität der Lizenzen wegen bestehender Wartungsverträge suggeriert jedoch, dass auch die zugehörige Software geliefert werden soll, da es für den Kunden normalerweise gerade bei der Software selbst auf die Aktualität ankommt. Der Antragstellerin lagen auch keine konkreten Hinweise auf den tatsächlichen Sachverhalt vor, die ein früheres Nachforschen nahe gelegt hätten. Die Dringlichkeitsfrist bezüglich des neuen Sachverhaltes begann daher mit dessen Kenntnis und war zum Zeitpunkt der Neufassung des Antrags in der mündlichen Verhandlung vom 15.12.2005 noch nicht abgelaufen. Es kann daher dahinstehen, ob auf die vorliegende Konstellation die Grundsätze der Entscheidung OLG München OLG Report 1993, 120, wonach eine sachgerechte Erweiterung des ursprünglichen Antrags auf die Dringlichkeit unschädlich ist, anwendbar wären.
II.
Der Antragstellerin steht auch ein Verfügungsanspruch zu.
1. Antrag
1.
Die Antragstellerin kann von der Antragsgegnerin aus § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG Unterlassung dahingehend verlangen, dass die Antragsgegnerin Dritte veranlasst, ...-Software zu vervielfältigen, indem Dritten durch einen vermeintlichen Erwerb von Lizenzen der Eindruck vermittelt wird, dass sie zur Nutzung und zu korrespondierenden Vervielfältigungen berechtigt seien. Der Anspruch nach § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG setzt voraus, dass die Antragsgegnerin ein Urheberrecht oder ein anderes nach dem Urheberrecht geschütztes Recht der Antragstellerin verletzt und Wiederholungsgefahr oder Erstbegehungsgefahr besteht.
a.) Der Antragstellerin stehen unstreitig die ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte (§ 31 Abs. 3 UrhG) an der fraglichen Software zu, für die die Antragsgegnerin "gebrauchte" Lizenzen anbietet. Die Antragsgegnerin hat auch nicht in Zweifel gezogen, dass die in Rede stehenden Computerprogramme nach den §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 69a Abs. 1 und Abs. 3 UrhG als individuelle geistige Werkschöpfungen der an ihrer Entwicklung und Erstellung beteiligten Personen Urheberrechtsschutz genießen (vgl. BGH GRUR 2005, 860 - Fash 2000).
b.) Diese Nutzungsrechte der Antragstellerin werden durch den Verkauf gebrauchter Lizenzen seitens der Antragsgegnerin verletzt. Nach § 69 c Nr. 1 UrhG ist die dauerhafte oder vorübergehende Vervielfältigung eines Computerprogramms dem Rechtsinhaber vorbehalten. Die Antragsgegnerin veranlasst ihre Kunden (vgl. zur Verantwortlichkeit für rechtswidrige Nutzungshandlungen durch Dritte BGH GRUR 2005, 670 re.Sp. unten/S. 671 li.Sp. oben - Wirtschaftswoche, GRUR 2002, 963, 964 Elektronischer Pressespiegel), die (aktuelle Version der) Software der Antragstellerin von der Homepage der Antragstellerin herunter zu laden - soweit diese nicht bereits im Besitz der (aktuellen Version der) Software sind, oder (soweit Lizenzen für zusätzliche Nutzer hinzugekauft werden oder die Software auf einem Datenträger übergeben worden sein sollte) in den Arbeitsspeicher der Rechner der Anwender geladen wird (Dreier/Schulze, UrhG, 2. Aufl., § 69 d Rdn. 8). Beides stellt eine dem Rechtsinhaber vorbehaltene Vervielfältigung dar. Soweit die Software von der Homepage der Antragstellerin herunter geladen wird, entsteht auf dem Server des Kunden ein Vervielfältigung, § 16 Abs. 1 UrhG. Aber auch das Laden des Programms in die Arbeitsspeicher der Rechner der einzelnen Anwender stellt eine Vervielfältigung nach §§ 16 Abs. 1, 69 c Nr. 1 UrhG dar. Dies ist zwar nach dem Gesetzeswortlaut, der auch vorübergehende Vervielfältigungen erfasst, nicht eindeutig, ergibt sich jedoch aus einer wertenden Auslegung des Gesetzestextes (offen gelassen in BGH GRUR 1991, 449, 453 - Betriebssystem; GRUR 1994, 363, 365 Holzhandelsprogramm). Die Auslegung muss sich .am legitimen Interesse des Rechtsinhabers orientieren, an den wirtschaftlichen Vorteilen der Nutzung seines Programms zu partizipieren. Daher liegt eine Vervielfältigung im rechtlichen Sinne immer dann vor, wenn der technische Vervielfältigungsvorgang zu einer gesteigerten Programmnutzung führt (Dreier/Schulze, § 69 c Rz. 8; Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 69 c UrhG, Rz . 6). Dies ist zum Schutz des Urhebers bei so verletzlichen Werken wie Computerprogrammen erforderlich (Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 69 c UrhG, Rz. 9) . Eine gesteigerte Programmnutzung liegt gerade dann vor, wenn wie hier durch das Laden des Programms in den Arbeitsspeicher des Rechners des Anwenders einem zusätzlichen Anwender die Nutzung ermöglicht wird.
c.) Ein rechtswidriger Eingriff in das Vervielfältigungsrecht der Antragstellerin entfällt auch nicht deshalb, weil die Kunden der Antragsgegnerin zur Vervielfältigung berechtigende dingliche Nutzungsrechte erworben haben oder eine Erschöpfung der Rechte der Antragstellerin eingetreten wäre. Die Antragsgegnerin kann ihren Kunden weder dingliche Nutzungsrechte übertragen, noch greift zugunsten der Erwerber der Grundsatz der Erschöpfung.
aa. Die Kunden der Antragstellerin können der Antragsgegnerin nicht mit dinglicher Wirkung Nutzungsrechte an der Software der Antragstellerin übertragen. Ausweislich des als Anlage AS 13 von der Antragstellerin vorgelegten, von ihr üblicherweise verwendeten Lizenzvertrages werden den Erwerbern der Software von der Antragstellerin nur nicht weiter abtretbare, einfache Nutzungsrechte an der Software eingeräumt (vgl. dort S. 2, erster Absatz). Die Einschränkung der Verfügungsbefugnis des Erwerbers über das eingeräumte Nutzungsrecht ist mit dinglicher Wirkung möglich (vgl. BGH GRUR 1987, 37, 39 - Videolizenzvertrag; OLG München GRUR 1984, 524, 525 - Nachtblende; Dreier/Schulze, UrhG; § 31 Rz. 42) . Daher ist die Abtretung der erworbenen Nutzungsrechte an die Antragsgegnerin wirkungslos. Daran würde auch eine eventuelle Unwirksamkeit der betreffenden Vertragsklausel nach § 307 Abs. IS. I BGB nichts ändern. Denn dies hätte nur die schuldrechtliche Unwirksamkeit der Klausel zur Folge, nicht aber dass dem Erwerber dadurch mehr dingliche Rechte übertragen würden. Denn der kann nur weiter übertragen, was er selbst vom Veräußerer erworben hat. Eine Einigung zwischen Antragstellerin und deren Kunden ist nur hinsichtlich der Einräumung eines nicht weiter übertragbaren Nutzungsrechtes erfolgt, eine Einigung über darüber hinausgehende Rechte hätte auch bei Unwirksamkeit der Vertragsklausel nicht stattgefunden.
bb. Die Antragsgegnerin kann sich nicht auf den Grundsatz der Erschöpfung berufen. Der Erschöpfungsgrundsatz, § 69 c Nr. 3 UrhG, § 17 Abs. 2 UrhG, besagt, dass mit Zustimmung des zur Verbreitung Berechtigten im Wege der Veräußerung in Verkehr gebrachte Vervielfältigungsstücke des Computerprogramms weiterverbreitet - das Vervielfältigungsrecht unterliegt nicht der Erschöpfung (BGH GRUR 2001, 51, 53 - Parfumflakon; GRUR 2005, 940 - Marktstudien) werden dürfen, mit Ausnahme der Vermietung. Die Antragsgegnerin verbreitet jedoch nach ihrem Sachvortrag gerade nicht Vervielfältigungsstücke der Software der Antragstellerin, die die Antragstellerin selbst in Verkehr gebracht hätte (so wenn die Software von der Antragstellerin auf CD-ROM ausgeliefert und die Antragsgegnerin diese CD-ROMs weiterverkaufen würde). Ist das konkrete Werkstück mit Zustimmung des Berechtigten in den Verkehr gebracht worden, so kann der weitere Vertrieb vom Berechtigten nicht mehr kontrolliert werden (BGH GRUR 1985, 736, 737 f. - Schallplattenvermietung; GRUR 2001, 152, 152 - OEM-Version) . Die Antragsgegnerin veranlasst ihre Kunden jedoch - wie vorstehend ausgeführt -, neue Vervielfältigungen herzustellen, indem sie die Software von der Homepage der Antragstellerin herunterladen oder die auf dem Server gespeicherte Software in den Arbeitsspeicher zusätzlicher Rechner laden. Die Frage, ob Erschöpfung auch an nicht körperlich, d.h. online übermittelten Werken eintreten kann, ist von der Rechtsprechung bisher nicht entschieden worden. In der Literatur wird die Frage kontrovers diskutiert. Für eine Erschöpfung an Programmkopien, die der dazu berechtigte Nutzer nach Online-Zuspielung der Programmdaten selbst mit Zustimmung des Rechteinhabers hergestellt hat, tritt beispielsweise Dreier (Dreier/Schulze, UrhG, 2. Aufl., § 69 c, Rz. 24) ein. Er verweist dabei auf die im Vergleich zum offline-Vertrieb identische Interessenlage (ebenso Hoeren in: Möhring/Nicolini, UrhG, 2. Auflage, § 69 c Rz. 16; Grützmacher in: Wandtke/Bullinger, UrhR, § 69 c UrhG, Rz. 36, der darauf abstellt, ob der Veräußernde alle noch auf seinen Rechnern befindlichen Kopien des Programms löscht und dabei die Erschöpfungswirkung auch auf das Vervielfältigungsrecht erstrecken möchte). Eine stillschweigende Zustimmung zur Weiterübertragung nimmt Haberstrumpf (in: Lehmann, Rechtsschutz und Verwertung von Computerprogrammen, 2. Aufl. 1993, II Rz. 132) an. Es ist jedoch nicht zu rechtfertigen, den Erschöpfungsgrundsatz über seinen eigentlichen Anwendungsbereich beim Vertrieb von körperlichen Vervielfältigungsstücken hinaus auf Handlungen, mit denen eine Vervielfältigung verbunden ist, hin auszudehnen. Bereits in der Entscheidung Parfumflakon hat der BGH darauf hingewiesen, dass eine Erschöpfung im Urheberrecht grundsätzlich nur hinsichtlich des Verbreitungsrechts, nicht jedoch hinsichtlich des Vervielfältigungsrechts eintreten kann. Der mit der Erschöpfung verfolgte Zweck, die Verkehrsfähigkeit der Waren sicherzustellen, betreffe im Allgemeinen allein das Verbreitungsrecht (BGH GRUR 2001, 51, 53) . Eine Ausdehnung des Erschöpfungsgrundsatzes auf andere urheberrechtliche Verwertungsarten kommt nach Auffassung des BGH dann in Frage, wenn mit der Ausübung des Verbreitungsrechts üblicherweise auch ein Eingriff in das Vervielfältigungsrechts verbunden ist (im konkreten Fall handelte es sich um Abbildungen der Ware in einem Werbeprospekt, deren Verbreitungsrecht bereits erschöpft war).
Bergmann (in: Festschrift für Willi Erdmann, 2002, S. 17, 25) weist daher zu Recht darauf hin, dass Zweck der Erschöpfungsgrundsatzes sei, das Spannungsverhältnis zwischen Eigentumsordnung und immaterialgüterrechtlichen Verbotsrechte auszugleichen. Zweck des Erschöpfungsgrundsatzes ist es nicht, das Werk an sich verkehrsfähig zu machen, sondern die Verkehrsfähigkeit des Wertstücks zu erhalten (a.a.O., S. 26).
Eine Erschöpfung in der hier vorliegenden Konstellation anzunehmen, bei der der Erwerber die Software nach dem Vortrag der Antragsgegnerin nicht von dem Ersterwerber erhält, sondern sie sich auf andere Weise beschafft, würde den Erschöpfungsgrundsatz überdehnen. Dies ist auch durch die Interessen des Ersterwerbers nicht gerechtfertigt. Dagegen spricht insbesondere die Gefahr der Aufspaltung der Lizenzrechte, beispielsweise wenn ein Ersterwerber einen Teil der von ihm erworbenen Lizenzrechte für eine bestimmte Anzahl von Usern, die er nicht mehr benötigt, veräußern möchte. Verkehrsfähig wären nunmehr auch Teile einer von der Antragstellerin als einheitliche Lizenz veräußerten Nutzungsberechtigung. Das Vergütungsinteresse der Antragstellerin bezüglich dieser abgespaltenen Lizenzen wäre angesichts der unstreitig degressiven Gebührenstruktur der Antragstellerin nicht hinreichend berücksichtigt. Anders als nach Auffassung von Berger (GRUR 2002, S. 198, 200) ist daher das Vergütungsinteresse des Urhebers nicht bereits durch die erste Verbreitung ausreichend berücksichtigt. In diesem Fall verbliebe zudem die online oder per Datenträger von der Antragstellerin übermittelte Kopie der Software beim Ersterwerber, während der Kunde der Antragsgegnerin neue Kopien anfertigt. Dies ist mit dem Erschöpfungsgründsatz nicht in Einklang zu bringen.
d.) Auch wenn der Vortrag der Antragsgegnerin, wonach sie bisher noch keine "gebrauchten" Lizenzen vertrieben habe, zugrunde gelegt wird, besteht Erstbegehungsgefahr bezüglich der mit dem Geschäftsmodell der Antragsgegnerin einher gehenden Verletzungen der urheberrechtlichen Nutzungsrechte der Antragstellerin. Aus den Werbemaßnahmen der Antragsgegnerin ergibt sich, dass die Veräußerung vermeintlicher Lizenzen konkret beabsichtigt ist.
2. Antrag
2. Die Antragstellerin kann auch von der Antragsgegnerin die Unterlassung der Benutzung des Zeichens "..." im geschäftlichen Verkehr mit Software verlangen, § 14 Abs. 5, Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. a GMVO.
Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, Inhaberin der deutschen Wortmarke und Gemeinschaftswortmarke "..." zu sein, vgl. Anlage AS 2 und AS 3. Die Bezeichnung ... wird von der Antragsgegnerin kennzeichenmäßig verwendet, nämlich als Hinweis auf den Hersteller der Software: Die Antragsgegnerin kann sich nicht auf Erschöpfung berufen, § 24 Abs. 1 MarkenG, Art. 13 Abs. 1 GMVO. Wie sich aus dem oben Gesagten ergibt, verkauft die Antragsgegnerin tatsächlich keine Lizenzrechte, sondern ein rechtliches "nullum" an ihre Kunden, bezüglich dessen eine markenrechtliche Erschöpfung nicht eintreten kann.
3. Antrag
3 . Der Antragstellerin steht auch ein Anspruch auf Unterlassung bezüglich der in Nr. 3 des Antrags wiedergegebenen Werbeaussagen zu, §§ 8 Abs. 1, 3, 5 Abs. 1 UWG. Die Werbeaussagen sind irreführend, da die Kunden tatsächlich keine Lizenzrechte von der Antragsgegnerin erwerben können. Auch die Aussage "der rechtmäßige Verkauf wird durch ein Notartestat bestätigt" ist geeignet, den Erwerber über die Tatsache zu täuschen, dass es tatsächlich keine Lizenzrechte von der Antragsgegnerin erwirbt.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. In der Neufassung der Anträge durch die Antragsgegnerin liegt eine teilweise Antragsrücknahme, nicht lediglich, wie die Antragstellerin im Schriftsatz vom 12.1.2006 meint, eine Antragsänderung. Denn die neu gefassten Anträge bleiben hinter dem mit den Anträgen gemäß Antragsschrift vom 2.12.2005 zunächst verfolgten Begehren zurück (siehe oben unter 1.1) als anstelle des Vervielfältigens nur mehr eine Mitwirkungshandlung von Seiten der Beklagten gegenständlich ist und die weiteren Nutzungshandlungen gemäß den ursprünglichen Anträgen l und 2 nicht mehr weiter verfolgt werden. Dieser Beurteilung kann die Antragstellerin auch nicht durch die im Termin vorgenommene Bewertung der neu gefassten Anträge den Boden entziehen. Ausgehend von der Streitwertangabe und der Bewertung der ursprünglichen Anträge (Protokoll, S. 2)- insbesondere ist nicht dargetan oder sonst ersichtlich, warum der neu gefasste Antrag 1 trotz der Einschränkungen (siehe oben) mit den Anträgen 1 und 2 gemäß Antragsschrift gleichwertig sein soll - erscheint ein Streitwert für die neu gefassten Anträge in Höhe von insgesamt 60.000,- € (§§ 3, 5 ZPO, § 53 Abs. 1 GKG; Antrag 1: 40.000,-; Antrag 2: 10.000,-, Antrag 3: 10.000,-) als angemessen.
Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 6 ZPO.
IV.
Die Anordnung einer Sicherheitsleistung war nicht veranlasst (§. 936, § 921 ZPO), da nicht dargetan ist, dass der Antragsgegnerin ein schwerwiegender Nachteil entstehen könnte. Insbesondere ist nicht dargetan oder sonst ersichtlich, dass die weitere Geschäftstätigkeit der Antragsgegnerin aufgrund des ausgesprochenen Verbots erheblich beeinträchtigt wäre. Nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin wurde mit "gebrauchten" Lizenzen bisher kein Umsatz erzielt.
(...)
drucken www.kanzlei-flick.de
Seitenanfang zurück zu den Urteilen zurück zur Startseite
© 1998-2006 für die Datenbank "Urteile" : Guido Flick, Rechtsanwälte, Hamburg, Germany
|
|