|
Tenor Tatbestand Entscheidungsgründe zurück zu den Urteilen
Fundstelle: CR 1996,353
heidelberg.de
§ 12 BGB
LG Mannheim; Urteil vom 8. 03. 1996: -Az.: 7 O 60/96-
Duch die Verwendung einer Internet-Adresse kann
das Namensrecht eines Dritten verletzt werden.
(Leitsatz der Kanzlei Flick)
Aus dem Tatbestand:
(Anm. d. Red.: Da es sich um ein vergleichsweise altes Urteil handelt, und dort auf die Zusammenhänge des Internets ausführlich und in anschaulicher Weise eingegangen wird, geben wir den Tatbestand nahezu ungekürzt wieder.)
Die Parteien streiten darüber, ob die Verfügungsbeklagten (Beklagten)
das Namensrecht der Verfügungsklägerin (Klägerin) verletzen,
indem sie die Internet-Adresse "heidelberg.de" benutzen
Die Beklagten betreiben in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen
Rechts ein Unternehmen, das sich ausweislich des Briefkopfes mit Informationstechnologie,
Softwareentwicklung und Beratung befaßt. Seit dem Jahr 1995 planten
sie, eine Datenbank mit Informationen über die Region Rhein-Neckar
für das Internet zur Verfügung zu stellen.
Beim Internet handelt es sich um ein weltweites Datennetzwerk, das dezentral
aufgebaut ist und die Datenübermittlung von jedem beliebigen an das
Netz angeschlossenen Rechner an jeden beliebigen anderen Rechner mit Netzwerkzugang
ermöglicht. Um dies zu gewährleisten, muß jedem angeschlossenen
Rechner eine eindeutige "Adresse" zugeordnet werden. Technisch
gesehen besteht diese Adresse aus einer in mehrere Untergruppen aufgeteilten
Zahlenkombination. Um die Adressen für Benutzer besser merkbar zu
machen, hat es sich eingebürgert, alternativ Buchstabenkürzel
zu verwenden, die ebenfalls in einzelne Abschnitte, sogenannte Sub-domains
aufgeteilt sind. Auch für diese Buchstabenkürzel gilt, daß
jedem Rechner eine eindeutige Adresse zugeordnet ist.
Die in Deutschland an das Internet angeschlossenen Rechner sind zwar nicht
notwendig, aber üblicherweise dem übergeordneten Bereich "de"
zugeordnet. Die Adresse von domains, die zu diesem Bereich gehören,
besteht aus mindestens einer zusätzlichen Buchstabengruppe, die durch
einen Punkt von dem nachgestellten Kürzel "de" abgetrennt
wird.
Die Vergabe und Verwaltung der dem übergeordneten Bereich (auch toplevel-domain
genannt) "de" zugeordneten domains erfolgt durch den Interessenverband
zum Betrieb eines deutschen Network Information Centers in Karlsruhe. Diese
Informationscenters (kurz DE-NIC genannt) überprüft lediglich,
ob die von einem Benutzer gewünschte Adresse bereits vergeben ist.
Ist dies nicht der Fall, so wird die domain ohne weitere Prüfung zugeteilt.
Bis zum Oktober 1994 waren bereits 1.449 domains registriert, wovon allein
494 im Jahr 1994 zugeteilt worden waren.
Bei der technisch beliebigen und nur durch das Erfordernis der Eindeutigkeit
eingeschränkten Wahl des domain-Namens entscheiden sich viele Netzteilnehmer
für eine eventuell abgekürzte Form ihres Namens oder ihrer Firma.
So unterhält etwa die Universität Heidelberg die domain "uni-heidelberg.de",
der Bayerische Rundfunkt die domain "br-online.de", die Auskunftei
Creditreform die domain "creditreform.de" und die Stadt München
die domain "muenchen.de". Einige domains, deren Namen ebenfalls
auf eine deutsche Stadt hinweisen, werden hingegen nicht von der jeweiligen
Stadt unterhalten, beispielsweise die Bezeichnungen "hannover.de"
und "augsburg.de".
Die Bezeichnung "heidelberg.de" war bislang nicht vergeben worden.
In der toplevel-domain "edu", die überwiegend von amerikanischen
Bildungseinrichtungen benutzt wird, ist die domain "heidelberg.edu"
an ein Heidelberg College vergeben, desgleichen in der überwiegend
von kommerziellen Anwendern benutzten top-level-domain "com"
die domain "heidelberg.com" von einem amerikanischen Unternehmen,
das mit der Firma Heidelberger Druckmaschinen verbunden ist.
Im Juni 1995 informierten die Beklagten die Klägerin über ihr
Vorhaben und schlugen zugleich vor, daß sich die Klägerin daran
beteiligt. Sie legten zugleich eine schriftliche Projektbeschreibung vor,
in welchem das Internet im allgemeinen und das Vorhaben der Beklagten im
besonderen näher beschrieben wurde (Anlage K 7). Im Juli 1995 fand
ferner ein längeres Gespräch mit einer Mitarbeiterin der Klägerin
statt. Die Klägerin zeigte sich an einer Zusammenarbeit nicht interessiert.
Ebenfalls noch im Jahr 1995 ließen sich die Beklagten von DE-NIC
die domain "heidelberg.de" zuweisen. Ab 15.02.1996 stellten sie
ihr Informationssystem unter dieser Adresse im Netz zur Verfügung.
Der Zugang zum Informationssystem erfolgt über das "World Wide
Web" (WWW), einen Teilbereich des Internet. Die Verbindung kann entweder
dadurch erfolgen, daß ein Benutzer die ihm bereits bekannte Adresse
der von der Beklagten unterhaltenen Datenbank eingibt, oder durch Nutzen
einer in einem anderen WWW-Dokument enthaltenen Verzweigung (auch "link"
genannt). Ein WWW-Anbieter nimmt in die von ihm zur Verfügung gestellten
Texte üblicherweise solche links auf, um dem Benutzer den Übergang
zu anderen Anbietern mit möglicherweise ähnlichem Angebot zu
ermöglichen. Daneben bietet das WWW auch Suchsysteme, die vorhandene
Verzweigungen zu einem bestimmten Themengebiet aufzeigen. Die Wahl eines
solchen links erfolgt durch "Anklicken" des entsprechenden Bildschirmbereichs, in welchem der anderweitige Anbieter in der Regel durch seinen Namen bezeichnet wird. Die zugehörige Internet-Adrese wird von der Software selbständig
ermittelt und angewählt, sie erscheint nach dem Verbindungsaufbau
aber regelmäßig am Bildschirm.
Die Klägerin, die im Dezember 1995 die domain "heidelberg.de"
für sich registrieren lassen wollte und dabei erfahren hat, daß
diese Bezeichnung bereits vergeben ist, sieht in der Verwendung dieser
domain durch die Beklagten eines Verletzung ihres Namensrechts. Sie verlangt
deshalb von den Beklagten, die Verwendung dieser Bezeichnung zu unterlassen.
Die Kammer hat den Beklagten mit Beschluß vom 20.02.1996 antragsgemäß
verboten, die Bezeichnung "heidelberg.de" als Adresse im Internet-Verkehr
zu benutzen. Die Beklagten haben gegen die einstweilige Verfügung
Widerspruch eingelegt.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die einstweilige Verfügung war zu bestätigen, denn es besteht
sowohl ein Verfügungsanspruch als auch ein Verfügungsgrund.
Die Klägerin kann gemäß §§ 167; 12 S.2 BGB verlangen, daß
die Beklagten die weitere Benutzung der Adresse "heidelberg.de"
unterlassen.
1. Duch die Verwendung der genannten Internet-Adresse machen die Beklagten
vom Namen der Klägerin Gebrauch. Dies ergibt sich schon daraus, daß
die Beklagten den Namen "heidelberg" als weltweit eindeutige
Bezeichnung für die von ihnen unterhaltene domain innerhalb des Bereichs
"de" benutzen. Die - in diesem Fall sogar eindeutige - Unterscheidung
einer bestimmten Person oder Einrichtung von anderen Personen oder Einrichtungen
ist die klassische Funktion eines Namens.
2.Durch die namensmäßige Verwendung werden die Interessen der
Klägerin verletzt, denn ein nicht unerheblicher Teil der Internet-Benutzer
wird die domain "heidelberg.de" mit der Klägerin in Verbindung
bringen.
Dafür ist zum einen entscheidend, daß - wenn auch nicht durchgängig,
so doch häufig - aus der Bezeichnung der domain auf die Person zurückgeschlossen
werden kann, welche die domain unterhält. Zwar wir der Benutzer gleichzeitig
erwarten, daß er unter dieser Adresse auch Informationen über
die Stadt und möglicherweise die Region Heidelberg erhält. Entgegen
den auch in der mündlichen Verhandlung nochmals vertieften Darlegungen
der Beklagten beschränkt sich die Erwartung eines mit den näheren
Verhältnissen nicht vertrauten Benutzers indes nicht auf diesen Teilbereich.
Gerade weil die Bezeichnung "heidelberg" ohne jeglichen Zusatz
erfolgt, liegt es vielmehr nahe, daß unter dieser Adresse nicht nur
Informationen über die Stadt Heidelberg, sondern Informationen von
der Stadt Heidelberg abgerufen werden können. Daß noch andere,
weithin unbekannte Orte sowie einige Personen denselben Namen führen,
ändert daran nichts. Selbst wenn dieser Umstand einem Benutzer bekannt
wäre, würde er daraus jedenfalls nicht den Schluß ziehen,
daß sich hinter der Bezeichnung "heidelberg.de" Personen
verbergen, die weder Heidelberg heißen noch in Heidelberg ansässig
sind.
Dem Umstand, daß der Zugang zu dem System der Beklagten häufig
über ein Suchprogramm erfolgen wird, kommt nach Auffassung der Kammer
keine entscheidende Bedeutung zu. Wie sich schon aus den von beiden Seiten
vorgelegten Unterlagen (Anlagen K 1 und B 4) ergibt, werden Internet-Adressen
auch auf anderem Wege der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Die Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung überdies dargetan,
daß es auch umfassende Verzeichnisse von Internet-Adressen gibt.
Der Zugang unter unmittelbarer Benutzung der Internet-Adresse kann angesichts
dessen nicht vernachlässigt werden. Gerade wenn ein Benutzer lediglich
die Adresse "heidelberg.de" zur Verfügung hat, wird er aber
- wie bereits ausgeführt - diese Adresse mit der Klägerin in
Verbindung bringen.
Soweit die Beklagten auf bestehende Ausweichmöglichkeiten hinweisen,
braucht sich die Klägerin im Verhältnis zu ihnen schon deshalb
nicht darauf verweisen zu lassen, weil die Beklagten mit der Bezeichnungen
"heidelberg" keinerlei Rechte haben. Ob und wie unter Umständen
ein Interessenausgleich mit den übrigen Gemeinden gleichen Namens
oder mit natürlichen Personen namens Heidelberg aussehen müßte,
braucht im vorliegenden Rechtsstreit nicht entschieden zu werden.
3. Die Beklagten sind auch passivlegitimiert. Dabei kann dahingestellt bleiben,
ob auch der Vergabestelle DE-NIC eine Verletzung des Namensrechts vorzuwerfen
ist. Die von den Beklagten hervorgehobenen Gesichtspunkte, insbesondere
der Umstand, daß DE-NIC keinerlei inhaltliche Prüfung vornimmt,
sprechen dabei eher gegen eine Verantwortlichkeit dieser Stelle. In jedem
Fall ändert die Tätigkeit von DE-NIC aber nichts daran, daß
die Verwendung der Bezeichnung "heidelberg.de" auf dem Handeln
der Beklagten beruht.
(...)
drucken www.kanzlei-flick.de
Seitenanfang zurück zu den Urteilen zurück zur Startseite
© 1998-2003 für die Datenbank "Urteile" : Kanzlei Flick , Rechtsanwälte, Hamburg, Germany
|
|