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Tenor Tatbestand Entscheidungsgründe zurück zu den Urteilen
Spitzname als Domain
§ 12 BGB
LG Bremen; Urteil vom 12.11.1998; ger. Az.: 12 O 428/98
Auch für einen Spitznamen genießt der Namensträger Schutz nach § 12 BGB, wenn sich diese Bezeichnung bezogen auf ihn als Name durchgesetzt hat.
(Leitsatz der Kanzlei Flick)
Aus dem Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Berechtigung zur Nutzung einer Domain-Adresse im Internet.
Die Antragstellerin ist seit Jahren eine bundesweit tätige Anbieterin von (...). Sie tritt im geschäftlichen Verkehr unter der im Rubrum angegebenen Firma auf und wollte jüngst die Domain-Adresse "henne.de" als Zugang zum Internet für sich eintragen lassen. Sie erhielt vom Deutschen Network Information Center (DENIC) in Karlsruhe, der Vergabestelle für Domain-Adressen in Deutschland, die Mitteilung, dass der Name bereits für den Antragsgegner registriert sei. Der Antragsgegner ist Student der Medieninformatik und arbeitet freiberuflich als Entwickler/Programmierer für Software, speziell im Bereich der Entwicklung und Gestaltung von Internet-Applikationen. Er ließ im Jahre (...) die Domain-Adresse "henne.de" für sich registrieren und nutzt sie seither sowohl privat als auch im Rahmen seiner freiberuflichen Tätigkeit.
Die Antragstellerin trägt vor, eine Domain-Adresse sei im Sinne von § 12 BGB untrennbar mit der dahinter stehenden natürlichen oder juristischen Person verbunden. Die ursprünglich aus längeren Zahlenfolgen bestehenden Zuordnungen der Homepage im Internet seien aus Gründen der Anwenderfreundlichkeit durch "griffige" Bezeichnungen ersetzt worden. Diese hätten Namensfunktion. Die Antragstellerin behauptet, der Antragsgegner verfüge, im Gegensatz zu ihr, über keine namensrechtliche Beziehung zu dem Namen "Henne". Die Verwendung der Domain-Adresse "henne.de" durch den Antragsgegner führe zu einer Zuordnungsverwirrung und verletze sie in ihrem Namensrecht (§ 12 BGB). Sie behauptet weiter, der Antragsgegner habe sich die Domain-Adresse "henne.de" lediglich mit dem Ziel eintragen lassen, das Nutzungsrecht an diesem Internet-Zugang später zu einem überzogenen Preis an sie - die Antragstellerin - zu veräußern. Sie ist deshalb der Ansicht, dass hier ein typischer Fall des sogenannten "Domain-Grabbing" vorliege.
Der Antragsgegner (...) behauptet, er werde in Abwandlung seines Vornamens Hendrik seit seiner Kindheit von Verwandten, Bekannten und Freunden "Henne" genannt und sei allenthalben unter diesem Spitznamen bekannt. Das gelte auch für die Geschäftskreise, in denen er verkehre. Zur Glaubhaftmachung legt er eine eigene schriftliche Erklärung sowie schriftliche Erklärungen seines Bruders und eines Freundes vor (jeweils mit Versicherung der Richtigkeit an Eides Statt). Der Antragsgegner meint, dass einem Spitznamen ebenso wie einem Künstlernamen der Schutz des § 12 BGB gebühre. Die Antragstellerin habe folglich kein besseres Recht auf den Namen "Henne" als er, zumal sie unter diesem Namen weder Verkehrsgeltung noch auch nur einen herausragenden Bekanntheitsgrad erlangt habe. Sie sei allenfalls in den Verkehrskreisen bekannt, die (ihre Produkte) benötigten. Schließlich ist der Antragsgegner der Auffassung, dass der Namensschutz im Bereich der Intemet-Domains nicht greife; Domain-Adressen seien mit Telefonnummern vergleichbar. Ein markenrechtlicher Unterlassungsanspruch der Antragstellerin bestehe schon deshalb nicht, weil er - der Antragsgegner - in einem völlig anderen geschäftlichen Bereich als die Antragstellerin tätig sei.
(...)
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
1.) Das Landgericht Bremen ist örtlich zuständig. Die Antragstellerin macht einen Unterlassungsanspruch aus dem Namensrecht (§ 12 BGB) geltend; ein solches könnte sich auch aus den §§ 5, 15 MarkenG und § 1 UWG ergeben, so dass der Gerichtstand aus den §§ 32 ZPO, 141 MarkenG, 24 UWG folgt. Namensrechtliche und markenrechtliche Verletzungshandlungen sowie Wettbewerbsverstöße sind unerlaubten Handlungen im Sinne der §§ 823 f BGB gleichzustellen; für ihre Bekämpfung ist ein Gerichtstand überall dort begründet, wo die inkriminierten Handlungen begangen worden sind oder - bei der Beanspruchung vorbeugenden Rechtsschutzes - wo die Begehung einer solchen Handlung ernsthaft droht. Da die Antragstellerin durch die beanstandete Reservierung des Domain-Namens "henne.de" unmittelbar betroffen ist, gilt für sie die Beschränkung des § 24 Abs. 2 UWG nicht. Begehungsort für namens-, marken- und wettbewerbsrechtliche Verletzungshandlungen im Internet ist nicht nur der Standort des Servers, des Gerätes also, das die jeweilige Homepage vorhält, sondern jeder Ort, an dem die Informationen abgerufen und empfangen werden können, also zweifelsfrei auch Bremen.
2.) Ein Unterlassungsanspruch gemäß den §§ 5 Abs. 1 und 2, 15 Abs. 2 MarkenG scheidet schon deshalb aus, weil die Unternehmens-/Tätigkeitsfelder der Parteien soweit voneinander entfernt sind, dass eine Verwechslungsgefahr - auch über eine Domain-Adresse im Internet - nicht in Betracht kommt. Die Antragstellerin will zwar die führende Anbieterin von (...) sein. (Sie) nimmt freilich - gewiss in richtiger Einschätzung der Lage - nicht für sich in Anspruch, mit dem Firmenbestandteil "Henne" in weiteren Bevölkerungskreisen als den Abnehmern von (...) bekannt geworden zu sein.
Auch ein Anspruch aus § 12 BGB. (Verletzung des Namensrechts) steht der Antragstellerin nicht zu. Zwar kann sie als GmbH Namensrechtsschutz nach § 12 BGB beanspruchen; der Firmenbestandteil "Henne" ist der als Firmenschlagwort eingeführte Name, unter dem die Antragstellerin (unstreitig) seit Jahren im Geschäftsverkehr auftritt und unter dem sie ihre Waren und Dienstleistungen anbietet. Der Antragsgegner hat das Namensrecht der Antragstellerin indes nicht verletzt.
Namensschutz ist auch für Domain-Adressen im Internet grundsätzlich möglich. Technisch gesehen stellt die Internet-Adresse (der Domain-Name) nur den Kommunikationsweg dar, der zu der gewünschten Homepage führt. Insoweit ist der Domain-Name eher mit einer Telefonnummer vergleichbar. Nachdem aber der ursprünglich binäre Zahlencode im Interesse der Benutzerfreundlichkeit durch eine Buchstabenkennung ersetzt worden ist, besitzen die Domain-Namen, anders als Telefonnummern, ein ausgeprägtes Identifikationspotential. Domain-Namen werden denn auch bewusst zur Identifizierung des Inhabers der Homepage eingesetzt. Es wird mit der aus einem Namen bestehenden Domain-Adresse regelmäßig zum Ausdruck gebracht, dass der Namensinhaber gleichzeitig Inhaber der Internet-Adresse und der damit verbundenen Homepage ist.
So verhält es sich auch mit dem Domain-Namen "henne.de" im Verhältnis zum Firmenschlagwort "Henne"; es liegt für die Antragstellerin, die unter dieser Kurzbezeichnung im Geschäftsverkehr auftritt, nahe, die Bezeichnung "henne.de" als Domain zu verwenden.
Den Antragsgegner hindert sie daran, indem er die Kennung "henne.de" für sich als Domain-Adresse hat registrieren lassen. Gleichwohl ist dem Antragsgegner ein Namensmissbrauch schon deshalb nicht vorzuwerfen, weil er glaubhaft dargetan hat, den Namen "Henne", für sich beanspruchen zu dürfen: Er führt seit seiner Kindheit den Spitznamen "Henne" - abgeleitet von Hendrik - und ist unter diesem Spitznamen im Verwandten-, Freundes- und Bekanntenkreis wie auch im geschäftlichen Leben bekannt geworden. Unter diesen Umständen kann es ihm nicht zum Vorwurf gereichen, wenn er selbst sich bei der Präsentation im Internet seines Spitznamens bedient. Dieser begleitet einen Menschen ebenso wie ein Pseudonym oder ein Künstlername. Die Antragstellerin hat folglich gegenüber dem Antragsgegner kein "besseres" Recht auf den Namen "Henne", soweit es um dessen Individualisierungsfunktion geht.
Im übrigen wäre das Verhalten des Antragsgegners auch dann nicht gemäß § 12 BGB zu beanstanden, wenn er nicht den Spitzennamen "Henne" trüge. Denn der Antragsgegner maßt sich nicht den Namen der Antragstellerin an; er hindert sie lediglich daran, ihn ohne Zusätze als Kennung im Internet zu nutzen. Für die Antragstellerin liegt es zwar nahe, "henne.de" als Domain-Adresse im Internet zu führen, eine namensrechtliche Exklusivität kann sie freilich insoweit nicht für sich in Anspruch nehmen. Sie könnte der Registrierung der Domain-Adresse "henne.de" durch den Antragsgegner nur dann mit Erfolg entgegentreten, wenn sein Verhalten mit einem Handlungsunrecht zu belegen wäre, er etwa die beanstandete Kennung gewählt hätte, um die Antragstellerin zu behindern oder sie unter wirtschaftlichen Druck zusetzen und sie etwa zu veranlassen, ihm die Domain-Adresse abzukaufen. Dafür bestehen nicht die geringsten Anhaltspunkte: Die Antragstellerin verfügt nicht über einen bis nach Warstein - dem Wohnsitz des Antragsgegners - bekannt gewordenen Namen, so dass nichts darauf hindeutet, dass der Antragsgegner mit seiner Handlungsweise die Absicht verfolgt hat, der Antragstellerin zu nahe zu treten und sie zu veranlassen, ihm die Domain-Adresse abzukaufen (sogenanntes Domain-Grabbing).
Nach alledem bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner - ohnehin kein Mitbewerber der Antragstellerin - durch die Registrierung der Domain-Adresse "henne de" gegen § 1 UWG verstoßen haben könnte.
(...)
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