Hallerstraße 53, 20146 Hamburg; Tel.:040 - 41 11 34 70


Tenor     Tatbestand     Entscheidungsgründe     zurück zu den Urteilen


infla.de
rein beschreibende Domain
§ 4, 14 MarkenG
LG Berlin; Urteil vom 25.03.2003; ger. Az.: - 16 O 498/02 -
nicht rechtskräftig


1. Bei einer aus zwei beschreibenden, gleichgewichtigen Begriffen bestehenden Marke genügt die Übernahme nur eines beschreibenden Bestandteils nicht für die Bejahung einer Verwechslungsgefahr.
2. Folglich kann auch die Verwendung des beschreibenden Bestandteils der Marke als Domain selbst bei nahezu übereinstimmenden Branchen prioritätsältere Markenrechte eines anderen nicht verletzen.

(Leitsatz der Kanzlei Flick)

Aus dem Tatbestand:
Der Kläger ist ein seit 1931 eingetragener Verein, der sich mit der Beurteilung und Begutachtung von Briefmarken beschäftigt. Der Verein erteilt entgeltliche Lizenzen an Prüfer, die Mitglieder des Vereins sein müssen, und die Briefmarken aus der Inflationszeit auf ihre Echtheit prüfen, wobei sie bei der Prüfung die Marke "Infla Berlin" benutzen.
Der Kläger ist Inhaber des deutschen Verbandszeichens "lnfla-Berlin" Nr. 1 075 801, das am 28. März 1984 angemeldet wurde und für die Waren/Dienstleistungsklasse 42, Prüfen und Begutachten von Briefmarken, eingetragen ist.
Der Kläger ist ferner Inhaber der am 30. Juni 2001 angemeldeten deutschen Wortmarke Nr. 301 46088 "INFLA", auf die der mit der Klage geltend gemachte Unterlassungsanspruch allerdings nicht gestützt wird. Der Beklagte beantragte gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt die Löschung dieser Marke.

Der Beklagte ist Inhaber der Internet-Domain "Infla.de". Unter dieser Domain bietet er eigene Briefmarken zum Kauf bzw. Tausch an und weist auf Intemetauktionen hin, an denen er selbst beteiligt ist.

Der Kläger ist der Meinung, er habe einen Unterlassungsanspruch aus § 14 und aus § 15 MarkenG, aus § 12 BGB und aus § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der Rufausbeutung und der Behinderung durch das gezielte Abfangen von Kunden.

Er ist der Auffassung, der Vereinsname werde lediglich von der Bezeichnung "Infla" geprägt. Der Kläger hatte ursprünglich angekündigt zu beantragen, den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, es zu unterlassen, auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland die Bezeichnung "Infla" für die Kennzeichnung des Tauschs oder Handels und der Beratung im Zusammenhang mit Briefmarken zu führen, diese unter der Bezeichnung "Infla" anzubieten bzw. damit zu werben sowie es zu unterlassen, die Bezeichnung "Infla" als Domain im Zusammenhang mit Briefmarken zu verwenden, anzumelden und darunter geschäftlich tätig zu werden.

Der Kläger beantragt zuletzt unter Rücknahme der Klage im Übrigen,

    den Beklagten zu verurteilen, es bei Vermeidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, die Domain "infla.de" für den Handel und Tausch mit Briefmarken und Briefmarkenzubehör zu verwenden.

Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

Ferner beantragt der Beklagte,

    den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Erledigung des gegen die Marke "INFLA", Markennummer 301 46088 erhobenen Löschungsantrags auszusetzen.


Der Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Berlin und erhebt die Einrede der Verjährung.

Der Beklagte behauptet, der Begriff "INFLA" werde in Briefmarkensammlerkreisen nur als Hinweis auf eine bestimmte Epoche von Briefmarken verstanden, nämlich als die der Marken der Inflationszeit aus dem Deutschen Reich.
Ferner behauptet er, er betreibe unter der Domain "Inf!a.de" eine rein private Website und handele nicht im geschäftlichen Verkehr.


(...)

Aus den Entscheidungsgründen:
I. Die Klage ist zulässig.

Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Berlin ist gemäß § 32 ZPO gegeben.
Die Internetseite des Beklagten kann auch in Berlin abgerufen werden, und es können auch von Berlin aus Bestellungen aufgegeben werden.
Begehungsort bei wettbewerbswidrigen Handlungen im Internet ist jeder Ort, an dem die Information dritten Personen bestimmungsgemäß zur Kenntnis gebracht wird (Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl. 2001, § 24, Rn 17). Auch in Bezug auf Markenrecht gilt, dass bei kennzeichenverletzenden Wiedergaben im Internet die Zuständigkeit nach § 32 ZPO bei jedem als Kennzeichenstreitgericht zuständigen deutschen Landgericht gegeben ist (Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 1998, § 140, Rn 48).

Die Entscheidung des Kammergerichts im Verfahren 5 W 315/01 (MMR 2002, 685) steht dem nicht entgegen. Im vorliegenden Fall ist nicht die Vervielfältigung Angriffspunkt.

II. Die Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch weder aus Marken- noch aus Namensrecht noch aus § 1 UWG zu.

1. Der Kläger hat keinen Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

Nach Auffassung der Kammer liegt keine Ähnlichkeit des vom Beklagten verwendeten Zeichens mit der Marke "Infla-Berlin" des Klägers vor.

Bei der Bezeichnung "lnfla-Berlin" handelt es sich um eine aus zwei Wortbestandteilen zusammengesetzte Bezeichnung. In der Domain "Infla.de" des Beklagten wird nur der Bestandteil "Infla" übernommen. Bei der Prüfung der Verwechslungsfähigkeit ist der Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen maßgeblich (Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 1998, § 14; Rn 386). Unter bestimmten Umständen kann einem einzelnen Bestandteil eine besondere, das Gesamtkennzeichen prägende Kennzeichnungskraft beizumessen sein.
Auch selbständig nicht schutzfähige Bestandteile können zur Prägung eines Gesamteindrucks beitragen (Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 1998, § 14, Rn 399).
Der Schutz der Marke "Infla-Berlin" für das Prüfen und Begutachten von Briefmarken führt nach Auffassung der Kammer nicht dazu, dass auch der Wortbestandteil "Infla" in Alleinstellung geschützt wird.
Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr nach § 14 MarkenG kommt es nur auf die konkret von den betroffenen Waren/Dienstleistungen als aktuelle oder potentielle Abnehmer angesprochenen Verkehrskreise an (Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 1998, § 14, Rn 168); im vorliegenden Fall also auf die Briefmarkensammler.

Der Beklagte hat substantiiert dargelegt, dass der Begriff "Infla" bei Briefmarkensammlern als beschreibender Begriff verwendet wird, nämlich für Briefmarken aus der Inflationszeit aus dem Deutschen Reich.
Dies ergibt sich aus dem Anlagenkonvolut B 2.
So werden etwa im "Rauhut GmbH - Katalog" (erstes Dokument der Anlage B 1, BI. 40f. d.A.) unter dem Stichwort "Infla" verschiedene Marken angeboten, wobei es beispielsweise heißt: "bessere Infla", "alleine ca. 300 Deutsches Reich, dabei gepr. Infla", "spezialisierte Infla-Slg.", "teure ungeprüfte Inflawerte", "schöner Infla- Teil", "mit kpl. Inflasätzen" "bis Ende Infla" etc. Dies macht nur dann Sinn, wenn die angesprochenen Briefmarkensammler den Begriff "Infla" verstehen.
Es wird durch diesen Begriff in dem Katalog der Rauhut GmbH erkennbar auf Briefmarken aus einer bestimmten Epoche verwiesen.
Es ist ausgeschlossen, dass die Verwendung des Begriffs "Infla" nur in der Weise erfolgt, dass darauf hingewiesen wird, dass eine Prüfung durch Prüfer des Klägers stattgefunden habe.
Wenn unter der Los-Nr 6111 "teure ungeprüfte Inflawerte" angeboten werden, dann liegt hierin erkennbar kein Hinweis auf die Prüfer des Klägers. Wenn es unter der Los-Nr 6384 heißt "bis Ende Infla", dann ergibt sich ganz klar, dass für den angesprochenen Briefmarkensammler erkennbar auf Briefmarken aus einer Epoche (nämlich der Inflationszeit des Deutschen Reichs) hingewiesen wird.

Im zweiten Dokument des Anlagenkonvoluts B 2 (BI. 42 d.A. ; nach den Angaben des Beklagten in der mündlichen Verhandlung die Zusammenstellung von Posten eines Händlers) ist die Rede von "INFLA-Bogen", "INFLA-Viererblöcke", "DR-INFLA" etc., was bestätigt, dass der Begriff "Infla" in Briefmarkensammlerkreisen zur Bezeichnung bestimmter Briefmarken verwendet wird. Im dritten Dokument des Anlagenkonvoluts B 2 (BI. 43 d.A., nach den Angaben des Beklagten in der mündlichen Verhandlung eine Kopie aus einem alten Katalog) ist von "Infla-Marken" die Rede, wobei Erläuterungen in Bezug auf Briefmarken aus der Inflationszeit folgen. Demgemäß weist der Begriff "Infla-Marken" ersichtlich nur auf Marken des Deutschen Reichs aus der Inflationszeit hin, aber nicht darauf, dass eine Prüfung durch Prüfer des Klägers stattgefunden habe.
Bereits aus diesen Dokumenten ergibt sich, dass "Infla" bei den angesprochenen Verkehrskreisen als beschreibender Begriff verwendet wird, so dass es auf die vorgelegten Ausdrucke der Internet-Auktionsanbieter "ebay" und "Beste Auktion", deren Angebote möglicherweise zumindest teilweise vom Beklagten stammen, nicht ankommt.

Der Kläger ist diesem substantiierten Vortrag nicht erheblich entgegengetreten; insbesondere hat er keine Erklärung dafür ge1iefert, dass in den vom Beklagten vorgelegten Katalogauszügen "teure ungeprüfte Inflawerte" und Briefmarken "bis Ende Infla" angeboten werden, wenn es sich nicht lediglich um einen Hinweis auf Briefmarken aus der Inflationszeit des Deutschen Reichs handelt.
Unerheblich ist der Einwand des Klägers, dass sich beide Parteien auch mit Briefmarken anderer Epochen unter diesem Zeichen befassen. Es kann durchaus ein beschreibenden Begriff als Vereinsname bzw. als Name, unter dem der Beklagte im Geschäftsverkehr auftritt, verwendet werden, und unter dem beschreibenden Namen weitere Leistungen oder Waren angeboten werden. Beispielsweise würde auch die Etablissementsbezeichnung "KFZ-Werkstatt" den beschreibenden Charakter nicht verlieren, wenn in der Werkstatt auch Fahrräder repariert werden.

Da für die angesprochenen Verkehrskreise "Infla" ein beschreibender Begriff ist, kommt es für die Beurteilung der Verwechslungsfähigkeit nicht allein auf den Bestandteil "Infla", sondern auf die Kombination "Infla-Berlin" an. Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei "Berlin" um einen beschreibenden Begriff handelt, da auch eine konkrete Kombination mehrerer beschreibender Begriffe Unterscheidungskraft besitzen kann.

So ist etwa die Verbindung des Gattungsbegriffs "Volksbank" mit der Ortsangabe "Homburg" kennzeichnend (BGH GRUR 1992, 865, 866- "Volksbank").
Es ist von einer Gleichgewichtigkeit der beiden Elemente der Marke des Klägers auszugehen. Die Übereinstimmung einer beanstandeten Bezeichnung mit einem von zwei in ihrer Kennzeichnungskraft gleichgewichtigen Bestandteilen eines Warenzeichens begründet keine Verwechslungsgefahr (BGH GRUR 1991, 319- "Hurricane").
Demgemäß genügt die Übernahme des Bestandteils "Infla" nicht für die Bejahung einer Verwechslungsgefahr.

Der Beurteilung, dass es sich bei dem Begriff "Infla" um einen für die angesprochenen Verkehrskreise beschreibenden Begriff handelt, steht nicht entgegen, dass für die Klägerin auch die am 30. Juni 2001 angemeldete Marke "Infla" eingetragen wurde. Die Klägerin erklärt ausdrücklich, sich nicht auf diese - gegenüber der Nutzung der Domain durch den Beklagten prioritätsjüngere - Marke zu stützen, so dass auch eine Aussetzung bis zur Entscheidung über den Löschungsantrag nicht angezeigt sei. Dementsprechend ist die Kammer für die Entscheidung des vorliegenden Falles auch nicht daran gebunden, dass das Patent- und Markenamt in einer hier nicht streitgegenständlichen Marke die Frage der Schutzfähigkeit der Bezeichnung "Infla" für die "Vermittlung von Kontakten zwischen Briefmarkensammlern zu Tauschzwecken und Zwecken des Verkaufs und Ankaufs, auch im Internet; Prüfen und Begutachten von Briefmarken" bejaht hat.

2. Ein Unterlassunganspruch aus § 14 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 3 MarkenG scheidet ebenfalls bereits deswegen aus, weil es an der Zeichenähnlichkeit zwischen "Infla-Berlin" und "Infla" fehlt.

3. Ein Unterlassungsanspruch aus §§ 5, 15 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 2 bzw. 3 MarkenG bzw. aus § 12 BGB scheidet ebenfalls aus. Der Name des Vereins (Infla Berlin Verein der Deutschlandsammler e. V. ) wird - ebenso wie die Marke "Infla-Berlin"- nicht von der Bezeichnung "Infla", die einen beschreibenden Begriff darstellt, geprägt. Dementsprechend besteht keine Zeichenähnlichkeit.
Die Verwendung des Begriffs "Infla" deutet nicht auf den Kläger hin, so dass auch Unterlassungsansprüche aus Namensrecht ausscheiden.

4. Ein Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG ist ebenfalls nicht gegeben.
Da keine Verwechslungsgefahr gegeben ist, scheidet auch ein Ausnutzen des guten Rufs aus.
Auch ein gezieltes Abfangen von Interessenten ist nicht gegeben, wenn der Beklagte den beschreibenden Begriff "Infla" in einer Internetdomain verwendet; die Verwendung des Begriffs "Infla" allein genügt nicht, um auf den Kläger hinzuweisen.

Der Gewährung einer Erklärungsfrist auf den Schriftsatz des Klägers vom 17. März 2003 bedurfte es nicht, da dieser keinen Vortrag enthält, auf dem die Entscheidung beruht.


(...)


drucken                                        www.kanzlei-flick.de



Seitenanfang     zurück zu den Urteilen     zurück zur Startseite


© 1998-2003 für die Datenbank "Urteile" : Kanzlei Flick , Rechtsanwälte, Hamburg, Germany